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Daniel Bensaïd

Walter Benjamin. Links des Möglichen. Aus dem Französischen von Elfriede Müller

Hamburg: LAIKA Verlag 2015; 273 S.; 24,- €; ISBN 978-3-944233-18-5
1990 veröffentlicht, liegt Daniel Bensaïds Buch nun, fünf Jahre nach seinem Tod, erstmals in deutscher Übersetzung vor. Bensaïd – Philosoph, Politiker und unorthodoxer Marxist – schreibt nicht über Walter Benjamin; vielmehr handelt es sich um eine Art von persönlichem Dialog mit ihm: von Benjamin aus‑ und zugleich über ihn hinausgehend, reflektiert Bensaïd die Geschichte des 20. Jahrhunderts an einem ihrer großen Wendepunkte. Und so ist es auch kein Zufall, dass er sich im Zuge seiner Überlegungen gerade Benjamin zuwendet, hatte dieser seine Schriften doch ebenfalls in einer Zeit großer Umbrüche verfasst. Beide Autoren eint, dass sie – obgleich der marxistischen Tradition zugehörig – dem Marx‘schen Denken skeptisch gegenüberstehen, wonach die Geschichte immer zwangsläufig mit Fortschritt verbunden ist. Für Benjamin war es die Geschichte des NS‑Regimes und insbesondere der Hitler‑Stalin‑Pakt, die seine geschichtsphilosophischen Überlegungen prägten. Bei Bensaïd, der den Stalinismus wiederholt auf das Schärfste kritisiert hat, ist es die Überzeugung, dass die Umbrüche von 1989/90 nicht das proklamierte ‚Ende der Geschichte‘ mit ihrem ultimativen Sieg von Demokratie und Freiheit mit sich bringen. In der Parallele dieser großen Umbruchsituationen verschmilzt das Denken beider Autoren, und so ist auch nicht an allen Stellen eindeutig zu identifizieren, ob nun gerade Benjamin oder Bensaïd spricht – aber das haben innere Dialoge so an sich! Aus geschichtsphilosophischer Sicht bietet das Buch spannende Hilfestellungen, die eigene Gegenwart zu denken. Mit Benjamin plädiert Bensaïd dafür, sich dem jüdischen Messianismus zu öffnen: die Option unerwarteter Ereignisse und Wendungen denken zu können, die Unterbrechung der Geschichte – eine Revolution – in Betracht zu ziehen, die jenseits von Realpolitik und Fortschrittsglauben neue Möglichkeiten für die Gesellschaft eröffnet. Zugleich zeigt der Autor mit diesem Buch den politischen Benjamin, bis dato galt das wissenschaftliche Interesse fast ausschließlich dessen literatur‑ und kunstwissenschaftlichen Werken. So sind es insbesondere Benjamins (fragmentarisch gebliebenes) „Passagen‑Werk“ und seine „Geschichtsphilosophischen Thesen“, die Bensaïd vor dem Hintergrund seiner eigenen Gegenwart neu liest und analysiert.
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Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Daniel Bensaïd: Walter Benjamin. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38870-walter-benjamin_47067, veröffentlicht am 17.09.2015. Buch-Nr.: 47067 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken