Transformation of Parliamentary Elites: Recruitment and Careers of Legislators in Estonia, Latvia and Lithuania 1990-2012
Diss. Jena; Begutachtung: H. Best, C. Köhler. – Die Abgeordneten eines Parlaments nehmen in zentraler Position Einfluss auf die Gestaltung der politischen Zukunft eines Landes. Daher fragt Mindaugas Kuklys, über welchen sozialen Hintergrund die Parlamentarier in den baltischen Staaten verfügen – und damit implizit auch: wie sich dieser verändert hat und was das wiederum für einen Unterschied mit Blick auf die nationalen Politiken in Estland, Lettland und Litauen macht. Für den Zeitraum von 1990 bis 2012 untersucht er in vergleichender Perspektive erstmalig für postkommunistische Gesellschaften mehrere Kontextvariablen wie Beruf, Erziehung und Ausbildung, Alter, Ethnizität und Geschlecht, die Aufschluss über die Karrierewege und den gesellschaftlichen Hintergrund dieser „aktiv in den politischen Prozess eingebundenen“ (7) Personengruppe geben sollen. Im Zuge einer systematischen Erhebung und Auswertung entsprechender Lebenslaufdaten kommt Kuklys unter anderem zu dem Schluss, dass in allen drei Ländern ein nachhaltiger Wandel in der parlamentarischen Elitenrekrutierung stattgefunden hat: Nicht nur, dass der Anteil von Lehrern und Professoren mit naturwissenschaftlich‑technischem Ausbildungshintergrund abgenommen habe, auch der Anteil an Frauen unter den Parlamentariern sei signifikant gestiegen. Zudem sei zu beobachten, dass ein immer weiter wachsender Anteil von Parlamentariern über einen wirtschaftlichen Hintergrund beziehungsweise über Management‑Erfahrung verfüge und dass die Dauer der Zugehörigkeit zum Parlament steige. Somit entspreche die Zusammensetzung der Parlamente stärker der Gesamtstruktur der jeweiligen nationalen Bevölkerungen als das noch während der Sowjet‑Zeit der Fall gewesen sei. Insgesamt hält sich Kuklys in seinem eher deskriptiven Fazit mit der Interpretation der Befunde zurück – was kein Malus der Arbeit darstellt, sondern eher Anlass für weitergehende Forschungen sein dürfte. Bei diesen wäre dann im Übrigen auch die Seite der Verlierer zu berücksichtigen: Wer kommt – aus welchen Gründen und mit welchem sozio‑kulturellen Hintergrund – eigentlich nicht ins Parlament?