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Didier Georgakakis / Marine de Lassalle (Hrsg.)

The Political Uses of European Governance. Studying an EU White Paper

Opladen u. a.: Barbara Budrich Publishers 2012; 193 S.; pb., 26,- €; ISBN 978-3-86649-483-1
Der Governance‑Begriff ist seit Mitte der 1990er‑Jahre ein in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, aber auch im politischen Raum so strapazierter Terminus, dass es zuweilen schwerfällt, seinen wahren Bedeutungsgehalt und analytischen Mehrwert zu bestimmen. Dies gilt auch für den Kontext der EU, die vor allem durch ihr Weißbuch von 2001 die Begriffskonjunktur maßgeblich befördert hat. Mit Blick auf die professionelle EU‑Community in Brüssel fragen die Autoren deshalb zu Recht: „[T]o what degree do these concrete actors have a shared definition of the word as well as the thing itself?” (10) Mit der Analyse verschiedener Aspekte des Entstehungsprozesses zu diesem „White Paper on European Governance“ (9) wollen die Autoren einen Beitrag zum besseren Verständnis leisten, wie die institutionellen Strukturen und Machtverhältnisse der EU – hier im Bourdieu‘schen Verständnis als Feld interpretiert – (neue) konzeptionelle Überlegungen zu Europa präjudizieren. Dabei sind sich die Herausgeber bewusst, dass der Diskurs zu Weißbüchern durchaus einen „Grenzfall“ (14) darstellt, da die Kommission und andere einflussreiche Akteure in solchen Fällen eine Führungsrolle übernehmen. Interessant ist die Teiluntersuchung von Fran çcois Foret, der sich der Rhetorik des Weißbuches annimmt. Etwas ärgerlich ist nur, dass die aus dem Weißbuch übernommenen Zitate auf Französisch wiedergegeben werden. Im Ergebnis kommt Foret zum Schluss, dass die Wortwahl – in der Tradition der EU – eher konservativ und technokratisch sei und dabei eine graduelle Anpassung und weniger einen grundlegenden Paradigmenwechsel suggeriere. Daraus ergebe sich ein Widerspruch zwischen dem innovativen, bürgerzentrierten Anspruch des Governance‑Konzeptes einerseits und seiner Ausfüllung durch die EU andererseits. In verdienstvoller Weise zeigt dieser Band auf, dass EU‑Dokumente – selbst wenn sie scheinbar unpräzise und floskelhaft daherkommen – nicht naturgegebene und monolithische Positionen darstellen, sondern Ausdruck eines interessengeleiteten Diskussionsprozesses sind. Nicht selten setzt sich erst im Anschluss an die förmliche Verabschiedung solcher Dokumente durch Interpretation und Diffusion eine Mehrheitsdeutung durch. So stellt Didier Georgakakis am Ende fest: „[T]he White Paper became a neo‑liberal tool through other uses and, most of all, that its failure as a political undertaking for establishing a specific political framework ended up being the condition for strengthening the most neo‑liberal factions within the Commission and its partners.“ (178)
{HS}
Rubrizierung: 3.13.23.33.7 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Didier Georgakakis / Marine de Lassalle (Hrsg.): The Political Uses of European Governance. Opladen u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38987-the-political-uses-of-european-governance_43847, veröffentlicht am 22.10.2015. Buch-Nr.: 43847 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken