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Winfried Brömmel / Helmut König / Manfred Sicking (Hrsg.)

Europa, wie weiter? Perspektiven eines Projekts in der Krise

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (Europäische Horizonte 9); 196 S.; 27,99 €; ISBN 978-3-8376-3010-7
Dass das europäische Projekt gegenwärtig in einer Krise steckt, ist keine revolutionäre Erkenntnis. Wie umfassend diese Krise allerdings tatsächlich ist, wird in der einleitenden Diagnose der Herausgeber deutlich: So lassen sich fundamentale Krisenerscheinungen sowohl hinsichtlich der sozialen Dimension (doppelte Spaltung zwischen Zentrum und Peripherie sowie innergesellschaftlich zwischen Profiteuren und Verlierern des Binnenmarktes), der politischen Dimension (wachsendes Legitimationsdefizit durch die zunehmende Ausweitung autoritär‑technokratischen Regierens) als auch der internationalen Dimension (Mangel an Handlungsfähigkeit angesichts globaler Konflikte) ausmachen. Mit anderen Worten: Die Frage nach dem Mehrwert des europäischen Integrationsprozesses scheint berechtigter denn je zu sein. Im Rahmen einer Vortragsreihe, die die Initiative Europäische Horizonte im Mai 2014 in Aachen veranstaltete und auf der die Beiträge basieren, beleuchteten die Rednerinnen und Redner Ursachen und Lösungen für die genannten Herausforderungen und Probleme. Thorsten Thiel erinnert daran, dass Krisendiagnosen immer politisch sind, indem sie zu bestimmten Handlungsweisen anregen wollen, bemängelt dabei jedoch die zunehmende Spezialisierung der Europaforschung. Diese trage dazu bei, dass die Krisendiagnosen, so wie sie gegenwärtig in den Sozialwissenschaften gestellt würden, in erster Linie deskriptiv seien und ihre Fähigkeit, Alternativen aufzuzeigen, verlören. Er plädiert deshalb für eine (wieder) stärkere Interaktion zwischen Europaforschung und Politischer Theorie, um einen neuen und offeneren Diskurs über Europa etablieren zu können. Auch in den weiteren Beiträgen wird ähnlich argumentiert. Die Debatte müsse sich von einer Polarisierung im Sinne von mehr oder weniger Europa hin zur Diskussion des horizontalen Nebeneinanders von Entscheidungsmechanismen bewegen (Ulrike Guérot) und dabei auch neuen Formen von Bürgerbeteiligung gegenüber offen sein (Jan‑Hendrik Kamlage und Patrizia Nanz am Beispiel der Energiepolitik). Alles in allem bietet die Krise aber vor allem die Chance, Europa neu zu begründen, sowohl als Solidar‑ (Maurizio Bach) als auch als institutionelle Gemeinschaft (Michael Stolleis). Mit der Einsicht, dass diese Chance zugleich als Notwendigkeit aufgefasst werden muss, schließt sich gewissermaßen die Klammer um die Beiträge eines Buches, das einen wichtigen Teil zu einer noch wichtigeren Debatte beiträgt.
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Rubrizierung: 3.13.53.22.23.4 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Winfried Brömmel / Helmut König / Manfred Sicking (Hrsg.): Europa, wie weiter? Bielefeld: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39082-europa-wie-weiter_47529, veröffentlicht am 12.11.2015. Buch-Nr.: 47529 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken