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Iris Mendel

WiderStandPunkte. Umkämpftes Wissen, feministische Wissenschaftskritik und kritische Sozialwissenschaften

Münster: Westfälisches Dampfboot 2015; 234 S.; 25,90 €; ISBN 978-3-89691-723-2
Es sind insbesondere drei dominierende Aspekte des Verständnisses von Wissensproduktion, die die Autorin in dieser Arbeit hinterfragt: erstens die Annahme, dass wissenschaftlich produziertes Wissen grundsätzlich neutral ist; zweitens der Leitgedanke, dass nur die Formen von Wissen Gültigkeit für sich beanspruchen können, die auf empirisch beobachtbaren und messbaren Daten gründen; drittens schließlich eine Herangehensweise, die nur wissenschaftlich produziertes Wissen als wahr erachtet und Alltagswissen als unwissenschaftlich charakterisiert und somit ignoriert. Dem setzt Iris Mendel „eine Sozialwissenschaft vom Standpunkt des Alltags“ (35) gegenüber und nimmt damit Praktiken und Wissensformen in den Blick, die in den Sozialwissenschaften zumeist ignoriert werden. Will eine Theorie Erkenntnis‑ und Gesellschaftskritik vereinen – und laut der Autorin muss sie dies, denn: „Erkenntniskritik ist insofern Gesellschaftskritik, da die Formen, mit denen wir die Welt erfassen, selbst gesellschaftlich sind“ (25) –, dann genügt es eben nicht, analytische Kategorien zu entwerfen, die Wissen über die Gesellschaft bereitstellen. Vielmehr kommt es darauf an, auch alltägliche soziale Praktiken und Strukturen als Bedingung von Wissensproduktion zu betrachten und darauf basierende Formen von Alltagswissen als konstitutiv für Gesellschaft und Wissenschaft gleichermaßen zu verstehen. Feministische Ansätze haben diese Problematik wiederholt aufgegriffen und dienen der Autorin deshalb als Ausgangspunkt. Dabei muss jedoch auch der mittlerweile etablierte Feminismus hinterfragt und mit Blick auf eine transnationale Perspektive aktualisiert werden. Unter Rückgriff auf postkoloniale feministische Ansätze entwickelt Mendel Ausgangspunkte einer transnationalen feministischen Wissenschaftskritik, die die vielfältigen kulturellen und sozialen Formen von Wissensproduktion in den Blick nehmen kann, ohne dabei – wie es meist geschieht – „‚andere‘ Erfahrungen einfach hinzuzufügen und die zentralen Kategorien unberührt zu lassen“ (195). Indem der Alltag mit sozioökonomischen Bedingtheiten und transnationalen Herrschaftsverhältnissen in Zusammenhang gestellt wird, werden die darauf basierenden Widersprüche sozialer und kultureller Reproduktion in den Blick der Sozialwissenschaften gerückt. Diese Widersprüche zu erkennen und kategorisch zu fassen ist nicht nur unumgänglich für die Diskussion unserer (wissenschaftlichen) Erkenntnismittel, sondern mindestens ebenso sehr für eine Sozialwissenschaft, die neben einem erklärenden auch einen transformativen Anspruch verfolgt.
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Rubrizierung: 5.2 | 5.42 | 2.27 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Iris Mendel: WiderStandPunkte. Münster: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39095-widerstandpunkte_47211, veröffentlicht am 19.11.2015. Buch-Nr.: 47211 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken