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Nikolai Blaumer

Korrektive Gerechtigkeit. Über die Entschädigung historischen Unrechts

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015; 208 S.; kart., 49,- €; ISBN 978-3-593-50498-8
Diss. phil. München; Begutachtung: J. Nida‑Rümelin, E. Özmen. – In Auseinandersetzung mit politischen Denkern, zumeist aus dem englischsprachigen Raum, entwickelt Nikolai Blaumer eine Argumentationslinie, um die moralische Pflicht zur materiellen oder immateriellen Entschädigung zu plausibilisieren. Das Vorgehen besticht durch eine klare Gedankenführung, die auch durch die dennoch ärgerlichen grammatischen Nachlässigkeiten nicht geschmälert wird. Zunächst stellt der Autor einen philosophischen Schadensbegriff vor: Wenn in die moralischen Rechte einer Person eingegriffen wird, werden ihre Interessen verletzt – und eine solche Schädigung bedingt den Anspruch auf eine Entschädigung. Diese Einsicht wird dann auf Kollektive ausgeweitet. Auch Gruppen können Rechtsträger sein, so die Argumentation, weil sie emergente Eigenschaften entwickeln und folglich mehr seien als die Summe ihrer Mitglieder. Im zweiten Schritt bestimmt der Verfasser Entschädigung als sekundäres Recht, das greift, wenn die primären Rechte von Personen verletzt werden. Selbst wenn eine solche Verletzung in der Vergangenheit liege und das gegenwärtige Kollektiv nicht mehr personell identisch sei mit den Schädigern oder den Geschädigten, greife das sekundäre Recht, sofern es eine diachrone Identität gebe, die als Wir‑Perspektive erkennbar sei: Eine Identifizierung mit dem Ethos der Gruppe. Besonders interessant sind die Überlegungen zu den Pflichten gegenüber Verstorbenen. Eine personale Verpflichtung sei hier schwierig, verstehe man den Tod – mit aller Vorsicht angesichts der Zurückhaltung eines liberalen Staates in Fragen der Religion – als Ende des Menschen als Person. Die Verpflichtung gemäß den Willensäußerungen von Verstorbenen gründe vielmehr in einem Wert, nämlich dem Vertrauen in das Versprechen. Anschließend analysiert Blaumer noch den Begriff der Verantwortung und den moralischen Status von Entschädigungspflichten und kommt zu dem Ergebnis: „Entschädigung kann nicht jede Verletzung von Rechten korrigieren, kann sie nicht ungeschehen machen. Dennoch bleibt sie Voraussetzung für die Wiederherstellung der moralischen Beziehung zwischen Gleichen unter Gleichen.“ (197)
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Rubrizierung: 5.44 Empfohlene Zitierweise: Volker Stümke, Rezension zu: Nikolai Blaumer: Korrektive Gerechtigkeit. Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39184-korrektive-gerechtigkeit_47704, veröffentlicht am 10.12.2015. Buch-Nr.: 47704 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken