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Katharina Rauschenberger / Werner Renz (Hrsg.), unter Mitarbeit von Steven Schindler

Henry Ormond – Anwalt der Opfer. Plädoyers in NS-Prozessen

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015 (Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts 24); 361 S.; kart., 34,90 €; ISBN 978-3-593-50282-3
Henry Ormond setzte sich in Frankfurt als Anwalt für Holocaust‑Überlebende und ihre Angehörigen ein und vertrat sie in zahlreichen NS‑Prozessen vor Gericht. Sein Engagement sei von seinen eigenen Erfahrungen mit antisemitischer Verfolgung durch die Nationalsozialisten und sein Exil in Großbritannien deutlich geprägt gewesen, schreiben Katharina Rauschenberger und Werner Renz einleitend. Sie dokumentieren in ihrem Buch ausgewählte Plädoyers des Anwalts, der nach dem Krieg für die britische Militärregierung arbeitete und im März 1947 britischer Staatsbürger wurde. Ormond habe vor Gericht auf der Grundlage eines „stupenden historischen Sachverstand[s]“ (28) argumentiert. Daran habe es den zuständigen Richtern dagegen leider oft gemangelt, weshalb NS‑Verbrecher meist nur als Gehilfen und selten als Täter verurteilt worden und „mit empörend geringen Strafen“ (28) davon gekommen seien. Trotzdem hätte ohne Juristen wie Ormond die Bilanz der rechtlichen Aufarbeitung der NS‑Gräuel noch viel schlechter ausgesehen, resümiert das Herausgeberduo. Rauschenberger beschreibt in ihrem Beitrag, wie 1950 der ehemalige Zwangsarbeiter der IG Farben Norbert Wollheim, vertreten durch Ormond, die erste Zivilklage gegen das Industrieunternehmen einreichte, um Ansprüche wie Schmerzensgeld und Schadenersatz geltend zu machen. In seinem Plädoyer zweifelt Ormond an, „daß […] qualifiziertes und geeignetes IG‑Personal nach Buna‑Monowitz berufen worden sei. Diese Kräfte mögen technische Könner gewesen sein, aber bestimmt waren sie charakterliche und menschliche Versager.“ (105) Er glaube hingegen einer Zeugenaussage, nach der „offensichtlich eine menschlich negative Auslese robuster und brutaler Persönlichkeiten“ (106) als Personal für das Konzentrationslager erfolgt sei. Als eines von vielen Anzeichen für die extrem unmenschliche Behandlung der KZ‑Häftlinge zitiert Ormond aus amtlichen Unterlagen, das nur 60 von „1.300 niederländischen Staatsangehörigen, die von Auschwitz nach Buna‑Monowitz gebrachten wurden“ (125), die Zwangsarbeit überlebten. Rauschenberger sieht Ormonds Engagement als wesentlich für den erfolgreichen Prozessausgang, der zu etlichen Nachfolgeprozessen gegen andere Firmen geführt habe. Rauschenberger und Renz arbeiten beide für das Fritz Bauer Institut in Frankfurt, einer Forschungs‑ und Bildungseinrichtung, die sich der Geschichte der nationalsozialistischen Massenverbrechen widmet und in deren wissenschaftlichen Reihe das aufwendig editierte, kommentierte und durch Fotos ergänzte Buch erscheint.
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Rubrizierung: 2.3132.352.323 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Katharina Rauschenberger / Werner Renz (Hrsg.), unter Mitarbeit von Steven Schindler: Henry Ormond – Anwalt der Opfer. Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39228-henry-ormond--anwalt-der-opfer_47573, veröffentlicht am 07.01.2016. Buch-Nr.: 47573 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken