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Hans Blumenberg

Rigorismus der Wahrheit. "Moses der Ägypter" und weitere Texte zu Freud und Arendt. Hrsg. von Ahlrich Meyer

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2015; 134 S.; 2. Aufl.; 14,- €; ISBN 978-3-518-58616-7
Die von Ahlrich Meyer herausgegebenen Nachlasstexte des Philosophen Hans Blumenberg setzen sich kritisch mit Freuds Werk „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ sowie Hannah Arendts Schrift „Eichmann in Jerusalem“ auseinander. In beiden Texten befasst sich Blumenberg mit der Frage nach Bedeutung und Funktion des Mythos in menschlichen Gemeinschaften. In Freuds Werk werde Moses als ägyptischer Prinz dargestellt, der die Israeliten aus der Knechtschaft in die Wüste geführt habe, nur um sie dort mit dem neuen Rigorismus der zehn Gebote zu unterdrücken. Als Reaktion erschlagen die Geretteten ihren Retter und begehen so einen Vatermord, der in Freuds Schriften immer wieder eine zentrale Rolle spiele. Im zweiten Text kritisiert Blumenberg die kritische Haltung Arendts gegenüber der Tätigkeit der Judenräte und ihre Zweifel an der Zuständigkeit des israelischen Gerichtes, aber vor allem ihre Hauptaussage von der „Banalität des Bösen“. Indem Arendt Eichmann als „Hanswurst“ anspreche, beraube sie das Todesurteil seiner mythischen Funktion als Sinnbild einer universellen Gerechtigkeit. Eichmanns mythische Bedeutung verlange, ihn nicht als Hanswurst hinzustellen, selbst wenn er das in Realität gewesen sei, konstatiert Blumenberg. „Es gibt Staaten, die durch ihre Feinde gegründet werden.“ Beide, Freud und Arendt, hätten den Juden eine mythische Gründungsfigur geraubt – Freud den Gründervater und Arendt die negative Gründungsfigur des Staates Israel. Die editierte und kommentierte Ausgabe von Meyer zeigt den Philosophen als Verteidiger notwendiger Mythen. Hatte Blumenberg in seinen bisherigen Arbeiten immer am Mythos gearbeitet, um zu zeigen, dass dieser sich auch durch diskursive Vernunft nicht einfach beseitigen lässt, plädiert er in diesen Texten dafür, identitätsstiftende Mythen gänzlich unangetastet zu belassen. Blumenberg schreibt selbst, dass er „Empörung“ über seinen Text erwarte. Wenngleich tatsächlich provokant, so handelt es sich doch eine wichtige Streitschrift zum Thema Funktion und gesellschaftliche Bedeutung von Mythen.
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Rubrizierung: 5.465.422.35 Empfohlene Zitierweise: Michael Rohschürmann, Rezension zu: Hans Blumenberg: Rigorismus der Wahrheit. Frankfurt a. M.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39431-rigorismus-der-wahrheit_47253, veröffentlicht am 25.02.2016. Buch-Nr.: 47253 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken