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Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.)

Inklusion. Wege in die Teilhabegesellschaft. Konzeption und Bearbeitung: Ole Meinefeld, David Jugel, Stefan Schönfelder und Peter Siller

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015; 467 S.; 34,90 €; ISBN 978-3-593-50462-9
Dieser prominent besetzte Sammelband hat zur Aufgabe, in einem umfassenden Sinne über Begriff und Konzept der Inklusion zu informieren. Die deutsche Debatte, so die Herausgeber, bleibe viel zu häufig weit hinter dem Potenzial zurück, das der Begriff enthalte, wenn man ihn als gegen die „soziale Exklusion“ (25) gerichtete Teilhabegerechtigkeit fasse: „Gerechtigkeit zielt auf gleiche soziale und politische Teilhabemöglichkeiten der Bürger/innen und erschöpft sich nicht in sozialen Versorgungsleistungen.“ (11) Vor diesem Hintergrund argumentiert Heinz Bude zugunsten einer Renaissance des Solidaritätsbegriffs. Gerade in dezidiert heterogenen Gesellschaften, so Bude, bestehe eine emanzipatorische Politik darin, Heterogenität der Lebensstile zu ermöglichen, ohne dabei den öffentlichen Raum preiszugeben. Individuen, die eben keine „Konstruktion der Gesellschaft“ (41) mehr seien, bedürften einer Kompetenz im Umgang mit sich verändernden Aufgaben unter variablen Bedingungen. Diese Kompetenz sei wesentlich Empathie, die in der Begegnung mit dem Anderen „Anteilnahme und Engagement“ fördere – mit anderen Worten: Solidarität. „Es handelt sich um einen Akt der Zuwendung, die mich etwas kostet“ (43) und die den Begriff des eigenen Selbst in Frage stelle. Was damit konkret gemeint ist, verdeutlicht etwa Sylvia Löhrmann in ihrem Beitrag über die gesellschaftliche Herausforderung durch die praktisch‑politische Gestaltung von Inklusion. Löhrmann, stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Schule und Weiterbildung in NRW, sieht die Bildung als Grundvoraussetzung für eine demokratisch selbstbewusste Gestaltung inklusiver Gesellschaften. Eine „Pädagogik der Vielfalt“ (294) sei, so Löhrmann, einem System vorzuziehen, das frühzeitig Bildungswege vorgebe und unterschiedliche Begabungen trenne: „Den Umgang mit Vielfalt nicht erlernen zu können und das Menschenrecht auf inklusives Lernen zu verweigern sind zentrale Probleme unseres Schulsystems.“ (295) Stattdessen gelte es, mehr individuelle Förderung und Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten bei der Schulbildung zu realisieren. Das alles klingt richtig und wichtig – nur bleibt bei der Lektüre dieses und anderer Aufsätze der ungute Eindruck, dass die gegenwärtige, den kapitalistischen Produktionslogiken westlicher Gesellschaften gehorchende schulische Bildung sich von derlei Forderungen kaum beeindrucken und von ihrem Standardisierungs‑ und Prüfungsdenken abbringen lassen wird.
{LEM}
Rubrizierung: 2.222.262.342.3312.352.23 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Inklusion. Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39570-inklusion_47904, veröffentlicht am 31.03.2016. Buch-Nr.: 47904 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken