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Christoph Möllers

Die Möglichkeit der Normen. Über eine Praxis jenseits von Moralität und Kausalität

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2015; 464 S.; 34,95 €; ISBN 978-3-518-58611-2
Der Untertitel der Studie des an der Humboldt‑Universität zu Berlin Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie lehrenden Christoph Möllers ist programmatisch. Ihm geht es um Entwicklung und Explikation eines Begriffs sozialer Normen, der nicht von kausalen oder moralischen Vorannahmen belastet ist. Zu den typischen Formen derartiger „Überkategorisierung“ zählt Möllers einerseits ein instrumentalistisches Verständnis, das auf die von Normen ausgelösten Wirkungen abstellt, und andererseits ein spezifisch normativistisches Verständnis, das die Bedeutung von Normen an gerechtfertigte Gründe bindet. Angesichts der unstrittig sehr breiten Verwendung des Normbegriffs ist eine Einschränkung des Gegenstands erforderlich, die sich auf die Gemeinsamkeiten sozialer Normen konzentriert, zugleich aber die Vielfalt normativer Praktiken ausreichend berücksichtigen kann. Hier führt Möllers zwei Aspekte an: Soziale Normen treten in einem stets zeitlich und räumlich zu bestimmenden sozialen Kontext in Erscheinung und sie umfassen ein Spektrum von Praktiken, zu dem unter anderem religiöse Gebote, juristische Vorschriften und Benimmregeln gehören. Auch mit diesen Einschränkungen bleibt das Gegenstandsfeld, an dem Möllers klären will, was wir meinen, wenn wir von Normen als solchen sprechen, erkennbar weit. Methodisch führt das zu der Konsequenz, dass die Studie über weite Strecken auf Problematisierungen beruht, die an den impliziten Unterstellungen der Verwendung des Normbegriffs in unterschiedlichen fachwissenschaftlichen Perspektiven ansetzen. Möllers‘ Auseinandersetzungen mit den Defiziten philosophischer Normativitätskonzepte, die moralische Normen als Referenzmodell behaupten, Ansätzen empirischer Forschungen, bei denen im Aufweis der Faktizität von Normen deren Geltung häufig unklar bleibt, und den Normativitätsansprüchen von Kunstästhetik beruhen auf einer ebenso breiten wie anregenden Diskussion einschlägiger Literatur. Mit Blick auf die vielfältigen Lesarten von Normen gelingt es Möllers immer wieder, die Unangemessenheit verbreiteter begrifflicher Alternativenpaare – Vernünftigkeit/Zwang, Befehl/Anerkennung, Wirkung/normative Eigenständigkeit, Finden/Machen von Normen – zu belegen. Demgegenüber verzichtet sein Begriff sozialer Normen auf inhaltliche Prämissen, seien sie ethischer Art oder auf Erfolgskriterien bzw. Sanktionserfordernisse bezogen. Soziale Normen affirmieren die „Verwirklichung einer Möglichkeit“; sie verweisen auf positiv markierte Zustände oder Ereignisse, dies aber mit ungewissen Folgen, denn sie enthalten zugleich die „Möglichkeit ihres eigenen Bruchs“ (395).
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Rubrizierung: 5.44 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Christoph Möllers: Die Möglichkeit der Normen. Frankfurt a. M.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39584-die-moeglichkeit-der-normen_47758, veröffentlicht am 07.04.2016. Buch-Nr.: 47758 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken