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Sabine Hark / Paula-Irene Villa (Hrsg.)

Anti-Genderismus. Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (GenderStudies); 260 S.; kart., 26,99 €; ISBN 978-3-8376-3144-9
„Was macht den Begriff ‚Gender‘ derart kontrovers?“ (7) fragen die Herausgeberinnen gleich zu Beginn – womit deutlich wird, worum es in diesem zeitdiagnostischen Sammelband geht. Anlass ist eine starke öffentliche Abwehr von Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik. Diese richtet sich sowohl inhaltlich gegen die mit dem Gender‑Begriff verbundene Infragestellung der Annahme „einer gegebenen, unveränderlichen und naturhaften Essenz der Geschlechterdifferenz“ (8) als auch gegen die universitäre Etablierung von Professuren mit einer Gender‑Denomination. Darüber hinaus werden auch gesetzliche Gleichstellungsmaßnahmen zurückgewiesen. Sabine Hark und Paula‑Irene Villa setzen sich in ihrem Beitrag mit den im Feuilleton und im Internet publizierten Beiträgen auseinander, die Gender‑Forschung als unwissenschaftlich diffamieren und zugleich deren vermeintliche Dominanz im Wissenschaftssystem und in der Politik beklagen. Wie Steffen K. Herrmann aufzeigt, wird in vielen Beiträgen sprachliche Gewalt ausgeübt. Kathrin Ganz und Anna‑Katharina Meßmer machen auf die Verrohung des öffentlichen Diskurses im Internet aufmerksam. Dass diese sprachliche Gewalt nicht selten mit persönlichen Angriffen auf Geschlechterforscher_innen verbunden ist, wird in einigen Beiträgen problematisiert. Inke Schmincke setzt sich mit jenen sozialen Bewegungen auseinander, die durch die Ausweitung von Rechten für homosexuelle Paare und ihre Kinder die Existenz heterosexueller Familien gefährdet sehen. Am Beispiel von Frankreich und Deutschland zeigt die Autorin, wie Protestbewegungen eine Pluralisierung von Lebensformen als Gefahr für das Kindeswohl darstellen, um dadurch mehr Unterstützung zu erhalten. Die Analysen aus der Schweiz (Andrea Maihofer/Franziska Schutzbach) und Polen (Bozena Choluj) verdeutlichen, dass der Abwehrdiskurs nicht auf ein oder zwei Länder beschränkt ist und dass es hier problematische Allianzen zwischen katholischer sowie evangelischer Kirche und rechten Parteien gibt. Woher kommt nun diese vehemente Kritik? Christine Wimbauer, Mona Motakef und Julia Teschlade interpretieren die Abwehrdiskurse als Reaktion auf Prekarisierungsprozesse, die nicht nur mit Ungleichheiten verbunden sind, sondern insbesondere auch mit der Infragestellung von Gewissheiten. Für diese Verunsicherung werden Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung verantwortlich gemacht, auch wenn die Ursachen in sozial‑ oder arbeitspolitischen Veränderungen liegen. Mit den differenzierten Analysen eröffnet der Band einen informierten Einblick in die aktuelle Debatte.
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Rubrizierung: 2.27 | 2.22 | 2.61 | 2.331 | 2.5 Empfohlene Zitierweise: Alexandra Scheele, Rezension zu: Sabine Hark / Paula-Irene Villa (Hrsg.): Anti-Genderismus. Bielefeld: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39650-anti-genderismus_47982, veröffentlicht am 04.05.2016. Buch-Nr.: 47982 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken