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Michael Fischer

Horst Mahler. Biographische Studie zu Antisemitismus, Antiamerikanismus und Versuchen deutscher Schuldabwehr

Karlsruhe: KIT Scientific Publishing 2015 (Europäische Kultur und Ideengeschichte. Studien 9); VIII, 529 S.; 43,- €; ISBN 978-3-7315-0388-0
Diss. Karlsruhe; Begutachtung: R.‑U. Kunze, H.‑P. Schütt. – Die erste politische Biografie über Horst Mahler, den früheren Linksterroristen und heutigen Rechtsextremisten, geht chronologisch vor und vermittelt viele neue Einsichten, weniger zu seinem Leben, mehr zu seiner politischen Ausrichtung und den Gründen dafür. Die mit vielen Belegen ausgestattete Studie verknüpft Mahlers Position mit dem Umgang mit der NS‑Vergangenheit. 1936 in Haynau/Schlesien geboren, war Mahler Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes, Mitglied einer schlagenden Verbindung, später Mitglied der SPD (1957‑1962), in Berlin zunächst ein erfolgreicher Jurist, der sich bald radikalisierte. Er verteidigte während der Studentenbewegung unter anderem Rudi Dutschke, Fritz Teufel und Beate Klarsfeld. Das Gründungsmitglied der in den Untergrund abgetauchten Roten Armee Fraktion avancierte nach seiner Verhaftung zu einem Sympathisanten der maoistischen KPD, löste sich in der zweiten Hälfte der 1970er‑Jahre davon und wurde wieder Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei (ab 1988). Ende der 1990er‑Jahre erfolgte eine Radikalisierung nach rechts. Er trat der NPD bei (2000‑2003), verteidigte sie in Karlsruhe, verließ die Partei jedoch nach dem Scheitern des Verbots, da die NPD am Parlamentarismus ausgerichtet sei. In der Folge mit offen antisemitischen Positionen auftretend und den Holocaust leugnend, erhielt Mahler 2009 eine Haftstrafe von zwölf Jahren. Was auf den ersten Blick Zeichen eines hohen Maßes an Diskontinuität ist, lässt der belesene Autor so nicht gelten. Fluchtpunkt von Mahlers Position sei der Versuch, „die diffus empfundene Schuld bezüglich der Verbrechen während der nationalsozialistischen Herrschaft bzw. der Shoa zu ‚bewältigen’, d. h. zu relativieren und abzuwehren“ (370). Michael Fischer, der sich dagegen ausspricht, Mahler wegen seiner narzisstischen Geltungssucht zu pathologisieren, führt als Beleg für Kontinuität Manichäismus, Orientierung an Verschwörungstheorien und Antiamerikanismus an. Für Mahler trifft dies in der einen oder anderen Weise zu, doch dürfte die folgende Verallgemeinerung nicht haltbar sein: „Sein antiamerikanisches Ressentiment, sein strukturell antisemitischer Antizionismus können als durchaus repräsentativ für eine Mehrheit der ehemaligen Protestbewegung der 1960er als auch der radikalen Linken der 1970er Jahre gelten“ (366).
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Rubrizierung: 2.32.3132.3312.352.37 Empfohlene Zitierweise: Eckhard Jesse, Rezension zu: Michael Fischer: Horst Mahler. Karlsruhe: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40003-horst-mahler_48413, veröffentlicht am 18.08.2016. Buch-Nr.: 48413 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken