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Lojze Wieser (Hrsg.)

Demokratische Einigung Europas. Das Hoffen wagen

Klagenfurt/Celovec: Wieser Verlag 2013 (Edition Geist & Gegenwart); 292 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-99029-066-8
Der europäische Einigungsprozess ist ins Stocken geraten. Der Band ist getragen von der Sorge, dass er gar ganz scheitern könnte. Alexander Van der Bellen zieht hierzu in seinem Beitrag eine ebenso spannende wie eindringliche Parallele: „Als die Weimarer Republik 1933 zugrunde ging, schrieb ein deutscher Journalist: Wir hatten eine Demokratie, aber nicht genügend Demokraten. Wäre es nicht schade, nach der gegenwärtigen Krise sagen zu müssen: Wir hatten ein Vereintes Europa, aber nicht genügend Europäer?“ (164) Die vorgelegte Kollage aus kürzeren und längeren Zitaten berühmter Europäer sowie Artikeln von politisch und wissenschaftlich Aktiven ist daher ein umfangreiches und beherztes Plädoyer zugunsten des europäischen Einigungsprozesses. Der Band enthält insgesamt Beiträge, in denen nach den konkreten Möglichkeiten künftiger europäischer Einigung, etwa im Rahmen eines föderalen Modells, ebenso gefragt wird wie nach den Ursachen für die gegenwärtigen Schwierigkeiten, derlei derzeit politisch Gestalt werden zu lassen. Franz Fischler argumentiert in seinem Beitrag, dass ein auf Nationalstaaten basierender Föderalismus vielleicht eine gute Lösung für das Industriezeitalter gewesen sein mag, jedoch für die „Herausforderungen einer globalisierten Welt mit wachsender Ressourcenknappheit, mit Arbeitslosigkeit, Energie‑ und Umweltproblemen“ (96) nicht mehr tauge. Stattdessen gelte es, eine „postnationale Governance‑Struktur“ (100) zu etablieren, die einen echten europäischen Parlamentarismus ebenso umschließen müsse wie eine europäische Regierung, das durchgängige Mehrheitsprinzip sowie eine eigene Steuerhoheit. Nur wenn es gelinge, diese Mechanismen und Institutionen zwischen der supranationalen, der nationalen und der regionalen Ebene auszutarieren, so Fischler, habe der europäische Einigungsprozess überhaupt eine Zukunft. Lojze Wieser betont – in Ergänzung zu diesen strukturell‑technischen Erwägungen – die kulturelle Dimension des europäischen Einigungsprozesses, die es außerdem nicht aus den Augen zu verlieren gelte: Forciert werden müsse das Lernen verschiedener Sprachen sowie der Ausbau des wechselseitigen kulturellen Verständnisses. In der Summe vermag der Band zwar nicht die Sorge zu vertreiben, dass das politisch‑kulturelle Projekt Europa scheitern könnte – das kann es in der Tat. Aber er liefert viele spannende Argumente und Ideen, wie sich dieses Scheitern vermeiden ließe.
{LEM}
Rubrizierung: 3.1 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Lojze Wieser (Hrsg.): Demokratische Einigung Europas. Klagenfurt/Celovec: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40061-demokratische-einigung-europas_44304, veröffentlicht am 08.09.2016. Buch-Nr.: 44304 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken