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Christian Schletter

Grabgesang der Demokratie. Die Debatten über das Scheitern der bundesdeutschen Demokratie von 1965 bis 1985

Göttingen u. a.: Vandenhoeck & Ruprecht 2015; 410 S.; 55,- €; ISBN 978-3-525-30079-4
Diss. Halle; Begutachtung: P. Wagner, M. Hettling. – Christian Schletter fragt, „ob im Untersuchungszeitraum von 1965 bis 1985 in relevantem Ausmaß durchgängig Debatten über ein bevorstehendes Scheitern der bundesdeutschen Demokratie […] geführt wurden“ – wobei er das Auftreten entsprechender Überlegungen „sowohl im linken als auch im konservativen Wahrnehmungsmuster“ (24) prüft. Im Mittelpunkt der Dissertation steht eine mediale Inhaltsanalyse. Schletter ordnet jedem politischen Lager ein Print‑Leitmedium zu, das er als repräsentativ für das jeweilige Spektrum erachtet. Dem „Rheinischen Merkur“ auf konservativer Seite stellt er den „Spiegel“ als Sprachrohr der Linken gegenüber. Der empirische Block der Studie gliedert sich in zwei Kapitel. Zunächst erfolgt eine quantitative Analyse. Darin spürt Schletter mehreren Angst‑Szenarien nach, an denen sich die Debatten über das mögliche Scheitern der westdeutschen Demokratie publizistisch festmachen lassen. Dazu gehörten etwa die Angst vor einem neuen Krieg, einem neuen Führer oder einem anonymen Machtapparat. Es zeigt sich mit Blick auf beide politische Lager, dass entsprechende Debatten „in relevantem Ausmaß geführt wurden und Teil der politischen Kultur“ (96) im Untersuchungszeitraum waren. Im zweiten empirischen Abschnitt werden die Resultate der quantitativen Analyse mithilfe der (qualitativen) Historischen Diskursanalyse von Achim Landwehr vertieft. So kontrastieren etwa im Debattenfeld der Angst vor einem neuen Führer die linken Aversionen gegen Franz Josef Strauß mit dem rechten Unbehagen vor Willy Brandt – in beiden Fällen unter Bezugnahme auf die NS‑Zeit. Während Strauß mediale Vergleiche mit Hitlers Weltanschauung und dessen Machtbesessenheit provozierte, „wurden beim Bedrohungsszenario Willy Brandt Vergleiche zu Hitlers charismatischer Ausstrahlung gezogen“ (228). Als Gemeinsamkeit resümiert Schletter im Schlusskapitel, „dass der Glaube in die Wehrhaftigkeit der Demokratie getrübt war und in beiden Wahrnehmungsmustern […] davon ausgegangen wurde, dass die Demokratie von der Mehrheit der Bevölkerung nur solange akzeptiert werde, wie sie reibungslos funktioniere und wirtschaftlichen und sozialen Wohlstand bereitstelle“ (362).
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Rubrizierung: 2.3132.352.333 Empfohlene Zitierweise: Ulrich Heisterkamp, Rezension zu: Christian Schletter: Grabgesang der Demokratie. Göttingen u. a.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40127-grabgesang-der-demokratie_47523, veröffentlicht am 27.10.2016. Buch-Nr.: 47523 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken