In diesem erweiterten Abdruck eines Referats, gehalten 1994 auf einer Veranstaltung der Adolf-Weber-Stiftung, wird mit der Frage nach der aktuellen "Befindlichkeit der Demokratie" (10) ein Thema aufgenommen, mit dem Isensee an das Werk seines wissenschaftlichen Lehrvaters Walter Leisner erinnern möchte. In teils verfassungsrechtlich, überwiegend staatstheoretisch orientierten Betrachtungen werden Grenzbereiche der Legitimität und Identität parlamentarischer Demokratie behandelt. Der Autor beginnt mit einem allgemeinen Blick auf die Geschichte der Demokratie und wechselt dann zur deutschen Perspektive. Thematisiert werden z. B. der Paradigmenwechsel vom Antitotalitarismus zum Antifaschismus, die Diskussion über eine neue Verfassung, Forderungen nach Plebisziten und Elemente von Konkordanzdemokratie im parlamentarischen System. Isensee verteidigt bezüglich dieser Themen weitgehend die bestehende "parlamentarische Demokratie grundgesetzlicher Observanz" (26). Die Stabilität der Bonner Demokratie beruhe auf der erfolgreichen sozialen Marktwirtschaft. "Sprachdiktate, Denk- und Redeverbote" einer neuen political correctness dagegen drohten die liberale Meinungsfreiheit auszutrocknen (49 ff.). Seine abschließende positive Antwort auf die Frage nach der Überlebensfähigkeit der Demokratie begründet Isensee mit Leisner auf der Überzeugung, daß sich aus gesellschaftlicher Kraft niemals solche Institutionen herausbilden würden, die imstande wären, "'die gesellschaftlichen Kraftquellen auszutrocknen'" (62), die also die Gesellschaft unterjochen könnten.