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Hans J. Lietzmann

Politikwissenschaft im "Zeitalter der Diktaturen" Die Entwicklung der Totalitarismustheorie Carl Joachim Friedrichs. Mit einem Vorwort von Klaus von Beyme

Opladen: Leske + Budrich 1999; 326 S.; 48,- DM; ISBN 3-8100-2178-4
Politikwiss. Habilitationsschrift Marburg; Gutachter: W. Bleek, M. Th. Greven, Th. Schiller. - Ziel des Bandes ist die Dekonstruktion Friedrichs, der entgegen der üblichen Sichtweise hier nicht als ein Theoretiker des Unterschiedes zwischen Totalitarismus und Demokratie verstanden wird. Statt dessen sieht Lietzmann in Friedrichs Denken zutiefst autoritäre Strukturen, deren Wurzeln er in der Biographie und in Friedrichs Herkunft aus der bündischen Jugend verortet. Seine Totalitarismustheorie sei im Gegensatz zur positiv gesehenen und von Friedrich befürworteten Theorie der Entwicklungsdiktatur zu verstehen. Konsequent folgt für Lietzmann hieraus, daß man aus Friedrichs Konzept keine Affirmation der Demokratie gewinnen könne, sondern allenfalls eine Rechtfertigung von Übergangsdiktaturen zu gutem Zweck, etwa der alliierten Militärherrschaft in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Hierzu paßt, daß Lietzmann erhebliche Affinitäten Friedrichs zu Carl Schmitt feststellt. Zugleich sieht er in Friedrich auch geradezu paradigmatisch die personelle Kontinuität der deutschen Politikwissenschaft seit der Weimarer Zeit verkörpert, die bislang nicht genügend beachtet werde. Diese Kontinuität konstatiert der Autor generell für das Fach, wobei er sich allerdings nur wenig mit der politikwissenschaftlichen Emigration auseinandersetzt (so findet sich etwa kein Werk Löwensteins im Literaturverzeichnis). Gleichwohl ist die Studie materialgesättigt; neben dem reichen Schriftenverzeichnis Friedrichs konnte der Autor auch den über verschiedene Archive verstreuten Nachlaß verarbeiten. Eingeleitet wird die Arbeit durch ein eigentümliches Vorwort des Friedrich-Schülers Klaus von Beyme, der Lietzmanns Ansatz als "kritische, ja gelegentlich bissige Analyse" (11) bezeichnet und der dem von ihm solcherart eingeführten Buch fast ebenso fremd gegenüberzustehen scheint wie Lietzmann umgekehrt seinen Gegenstand mit Kritik überzieht. Inhaltsübersicht: 1. Biographische Skizze; 2. Zwischen Nationalökonomie und Staatssoziologie; 3. Bündische Gemeinschaft und "Responsible Bureaucracy"; 4. Gemeinschaft und Propaganda; 5. Eine Theorie der totalitären Diktatur; 6. Das Zeitalter der Diktaturen; 7. Friedrichs Totalitarismustheorie im politikwissenschaftlichen Diskurs. Eine Zusammenfassung.
Michael Dreyer (MD)
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.46 Empfohlene Zitierweise: Michael Dreyer, Rezension zu: Hans J. Lietzmann: Politikwissenschaft im "Zeitalter der Diktaturen" Opladen: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/6914-politikwissenschaft-im-zeitalter-der-diktaturen_9263, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 9263 Rezension drucken