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Christian Büschges

Demokratie und Völkermord. Ethnizität im politischen Raum

Göttingen: Wallstein Verlag 2012 (Das Politische als Kommunikation 5); 111 S.; brosch., 9,90 €; ISBN 978-3-8353-1041-4
In seinem Essay unternimmt der Berner Lateinamerika‑Historiker Christian Büschges einen Parforceritt durch die Geschichte des Wechselspiels von Ethnizität und Politik seit der Antike. Er greift dabei frühere Überlegungen zum Thema auf (siehe Buch‑Nr. 32541) und stellt sie in einen größeren Zusammenhang. Einem konstruktivistischen Ansatz folgend, erscheint Ethnizität in Anlehnung an Rogers Brubaker (siehe Buch‑Nr. 34850) als ein Zusammenwirken von Akteuren und Praktiken zur Herstellung von gruppenbezogenen Zusammengehörigkeitsgefühlen. Den zentralen Bezugspunkt bilden drei politische Organisationsformen: das Imperium, der Nationalstaat und in einem Ausblick der „multikulturelle oder pluriethnische Staat“ (15). Besonders intensiv werden die Kolonisations‑ und Dekolonisationsprozesse in Südamerika und in Afrika als Beispiele herangezogen. Die imperialen beziehungsweise kolonialen Großreiche sahen sich bis in die Neuzeit der Notwendigkeit der Integration verschiedener ethnischer Gruppen ausgesetzt. Gewalt war dabei zwar ein Teil imperialer Herrschaft. Doch die „Ausübung exzessiver militärischer Gewalt oder gar die planvolle Vernichtung ganzer Völker [blieben dabei] eher eine Ausnahmeerscheinung“ (32). Angesichts dieses Befundes erstaunt die eher plakative Titelwahl, zumal auch das Konzept der Demokratie lediglich im vierten und im kurzen fünften Kapitel zentraler gewichtet wird. Im Nationalstaat jedenfalls „wurde der Glaube an eine kulturell homogene Abstammungsgemeinschaft zur vorherrschenden Legitimation politischer Ordnung“ (46). Dieses kulturnationale Konzept erschwerte die Integration anderer Gruppen, auch staatsnationale Überlegungen sind nicht frei von ähnlichen Homogenitätsvorstellungen. Angesichts der zahlreichen ethnischen Konfliktlinien in Afrika oder auch Asien mit entsprechenden Staatenneugründungen erscheint diese Organisationsform jedoch bis auf Weiteres dominierend zu bleiben – selbst wenn in Europa und den USA oder auch im Rahmen der Vereinten Nationen pluriethnische Ansätze zur offiziellen Staatsdoktrin zählen.
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.2 | 2.23 | 2.25 | 5.41 | 2.65 | 2.67 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Christian Büschges: Demokratie und Völkermord. Göttingen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9264-demokratie-und-voelkermord_43249, veröffentlicht am 04.04.2013. Buch-Nr.: 43249 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken