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Klaus Eder

Kulturelle Identität zwischen Tradition und Utopie. Soziale Bewegungen als Ort gesellschaftlicher Lernprozesse

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2000 (Europäische Bibliothek interkultureller Studien 6); 254 S.; kart., 24,54 €; ISBN 3-593-36243-0
Das Buch stützt sich in Teilen auf Ergebnisse eines vom Deutsch-Französischen Jugendwerk in den Achtzigerjahren unterstützten Forschungsprojekts. Durch die Methode einer an Touraine orientierten soziologischen Intervention in drei sich den Neuen Sozialen Bewegungen zurechnenden Landkommunen in Südfrankreich, Bayern und Mittelitalien unternahm ein Forscherteam, dem neben Eder noch Wolf Schäfer, Seyla Benhabib und Catherine Turgis angehörten, den Versuch, sich auf die Suche nach dem Stellenwert kollektiver, genauer nationaler Identitäten innerhalb Neuer Sozialer Bewegungen zu machen: Hat diese Gruppe ihre nationale Identität durch ihr gemeinsames Anliegen (Ökologie, Emanzipation, Frieden) überwunden, kompensiert, verdrängt? Eder zeigt, dass die Neuen Sozialen Bewegungen dem Nationalen, das er als "erste Ausdrucksform der Moderne, die historisch besondere Variante des allgemeinen Problems, wie eine Gesellschaft ohne traditionelle Bindungen die Mitglieder zusammenbinden kann" (22) definiert, nicht entgehen können. Sie entkommen nicht "jener Logik kollektiver Mobilisierung, die bereits die Mobilisierung nationaler Identität gekennzeichnet hat" (23). Die Frage, inwiefern "neue" Identitäten vor diesem Hintergrund "alte" (nationale) ablösen können, muss demnach eine differenzierte Antwort erfahren: "Dies macht die Neuen Sozialen Bewegungen zum Element eines umstrittenen und zugleich ambivalenten Prozesses der Selbstverständigung der Moderne. Denn sie kritisieren die Moderne und sind doch auf diese Moderne als die Bedingung ihrer Möglichkeit angewiesen." (62) Dieses Ergebnis verweist auf grundlegende Implikationen interkultureller Kommunikation: "Anstatt die eigene Bewegungskultur als die Avantgarde der Gesellschaft zu verstehen, sind diese Bewegungen gezwungen, sich selbst als historische Phänomene zu verstehen; sie müssen sich selbst historisieren." (233) Damit geht für Eder eine "kommunikative Zähmung" (237) der Neuen Sozialen Bewegungen einher, die sich in ihrer Kommunikation stärker narrativer statt ausschließlich argumentativer Ansätze bedienen könnte, um gesellschaftliche Lernprozesse voranzutreiben.
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 2.22 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Klaus Eder: Kulturelle Identität zwischen Tradition und Utopie. Frankfurt a. M./New York: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9997-kulturelle-identitaet-zwischen-tradition-und-utopie_11821, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 11821 Rezension drucken