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Chantal Mouffe

Agonistik. Die Welt politisch denken. Aus dem Englischen von Richard Barth

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2014 (edition suhrkamp 2677); 214 S.; 16,- €; ISBN 978-3-518-12677-6
Gemeinsam mit Ernesto Laclau hat Chantal Mouffe in dem Buch „Hegemonie und radikale Demokratie“ (1985) eine ebenso vom Poststrukturalismus wie von Gramsci beeinflusste Reformulierung einer marxistischen Perspektive vorgenommen, die sich vom kommunistischen Ideal einer Gesellschaft jenseits politischer Institutionen verabschiedet hat. Zu den zentralen Prämissen dieses Postmarxismus gehört die Auffassung, dass jede Form sozialer Ordnung eine kontingente Artikulation von Machtverhältnissen ist und dementsprechend betont Mouffe – durchaus unter Bezug auf Carl Schmitt – die Unhintergehbarkeit von Antagonismen als Kern des Politischen. Der spezifische Reiz ihrer Reflexionen über Möglichkeiten einer modernen pluralistischen Demokratie beruht indes gerade auf dem Versuch, „mit Schmitt gegen Schmitt zu denken“ (199). Dem dient ihre Unterscheidung des Politischen von der Politik; deren Leistung besteht in der Transformation von grundsätzlichen Antagonismen in Agonismen, die durch ein Ensemble von Praktiken, Diskursen und Institutionen verhandelbar sind. Dieser Band ergänzt ihre beiden früheren Studien – „Das demokratische Paradox“ (2000) und „Über das Politische“ (2005, siehe Buch‑Nr. 31653) – und enthält sechs Aufsätze, in denen sie anhand unterschiedlicher Themen ihr Modell von Demokratie als agonistischen Pluralismus erläutert. Mouffe setzt sich kritisch mit den individualistischen und rationalistischen Annahmen liberaler Demokratietheorien auseinander, die die zentrale Rolle von Affekten bei der Bildung kollektiver Identitäten ignorieren. Visionen einer kosmopolitischen Demokratie – wie sie Beck und Held vertreten – hält sie entgegen, dass deren Universalismus die Hegemonie der westlichen Welt festschreibe. Während der Versuch, den agonistischen Ansatz auf das Feld der europäischen Integration zu übertragen, eher vage bleibt, überzeugt ihre Kritik postoperaistischer Positionen (Hardt/Negri, Virno) und der von diesen beeinflussten Protestbewegungen. Beide hängen – so zeigt sie plausibel – der naiven Idee an, ein Exodus aus Institutionen und allen Formen repräsentativer Demokratie biete die Möglichkeit, eine konsensuelle Gesellschaft aufzubauen.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.415.42 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Chantal Mouffe: Agonistik. Frankfurt a. M.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37356-agonistik_45677, veröffentlicht am 31.07.2014. Buch-Nr.: 45677 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken