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An der Oberfläche. Analysen zu Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Ostdeutschland

27.10.2017
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Autorenprofil
Natalie Wohlleben, Dipl.-Politologin
Autorenprofil
Dipl.-Jur. Tanja Thomsen, M.A.

Die neuen Bundesländer sind auch Teil des postsowjetischen Raums. So betrachtet ist es nicht überraschend, dass PEGIDA auch mit Unterstützung polnischer Nationalisten demonstrierte, Dresden, 25. Januar 2015. Foto: Kalispera Dell (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:PEGIDA_Demo_DRESDEN_25_Jan_2015_116139858.jpg / https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.en)

 

Zusammengestellt von Natalie Wohlleben und erschienen am 27. Oktober 2017,  zuletzt aktualisiert im Mai 2020 von Tanja Thomsen

Am Anfang war es ein ostdeutsches Sonderbewusstsein, das Christoph Kleßmann 2009 grummelnd unter der Oberfläche wahrnahm, damals profitierte noch die Linkspartei vom Unbehagen, mit dem einige ehemalige DDR-Bürger den Zusammenfall von Einheit und Globalisierung beobachteten. Wenig später stellten Monika Deutz-Schroeder et al. bei Schülerinnen und Schülern eher keine Ost-West-Unterschiede im historischen Wissen fest, sondern wie gering es war – für viele verschwammen die Trennlinien zwischen Demokratie und Diktatur, einige wussten bei der Befragung mit dem Begriff Rechtsstaat nichts anzufangen.

Die Einstellungen und Ansichten über den Systemumbruch sowie Wissensstände und Bildungsgrad gehören zu den Hintergrundfaktoren, vor denen eine lautstarke Minderheit sichtbar wird: Als Vehikel dienen die steigenden Flüchtlingszahlen, PEGIDA beginnt in Dresden zu demonstrieren – vorgeblich lebt dabei die Tradition der Montagsdemonstrationen auf, tatsächlich aber besteht eine Kontinuität zu fremdenfeindlichen Kampagnen der Zwischenkriegszeit, wie Steffen Kailitz erklärt. Die AfD schließt zu diesen Strömungen auf und profiliert sich – mit gutbürgerlichem Personal – als rechtspopulistische Partei der Modernisierungsverlierer. Bei ihr haben, so geht aus der Leipziger Mitte-Studie hervor, bereits vorhandene Denkweisen eine Heimat gefunden. Am Beispiel Thüringen zeigt Christoph Lammert, dass sich aber nicht nur das rechte politische Lager, das sich noch vorzeigbar wähnt, modernisiert hat. Auch die extreme Rechte versucht, ein neues Auftreten zu zeigen und so in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen.

Matthias Quent stellt dieser Entwicklung und vor allem den rechtsextremen, fremdenfeindlichen Gewalttaten die Bielefelder Untersuchungen zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit gegenüber und hält fest: Es gibt nicht mehr menschenfeindlich eingestellte Personen, sehr wohl aber „eine Radikalisierung im Sinne einer gesteigerten Handlungsbereitschaft im Kontext der Asyldebatte.“ Wolfgang Benz erinnert an die einzigen wirksamen Gegenmittel: Vernunft und Aufklärung.

Die Analysen sind in chronologisch absteigender Reihenfolge sortiert.


Albrecht von Lucke
Von Erfurt nach Berlin: Nützliche Idioten für die AfD
Blätter für deutsche und internationale Politik, März 2020

Albrecht von Lucke analysiert das Ringen um die Thüringen-Wahl von Thomas Kemmerich in Von Erfurt nach Berlin: Nützliche Idioten für die AfD dahingehend, dass eine strategische Halt- und Hilflosigkeit des bürgerlichen Lagers, die vor allem im Osten vorherrsche, inzwischen auch die beiden Parteizentralen in Berlin ergriffen habe. Es handele sich nicht um ein Regionalproblem, sondern ein ganz grundsätzliches – um nämlich die Gretchenfrage für bürgerliche Parteien: Wie hältst Du‘s mit Höcke und Co.? Tatsächlich sei es jüngst der AfD gelungen, ihre politischen Gegner vorzuführen und gegeneinander auszuspielen und darüber hinaus noch die Bewertung des Ereignisses zu bestimmen. Der Autor warnt jedoch davor, der Partei, die angesichts des Rücktritts von Annegret Kramp-Karrenbauer am 10. Februar für sich beanspruchte „[i]n Thüringen jemanden so auf einen Stuhl [zu] setzen, dass es in Berlin einem anderen Stuhl die Beine abschlägt“, daher auch noch eine überirdische, fast diabolische Größe zuzusprechen.


Micha Brumlik
Ostdeutscher Antisemitismus: Wie braun war die DDR?
Blätter für deutsche und internationale Politik, Januar 2020

Der Anschlag von Halle am 9. Oktober 2019, an Jom Kippur des Jüdischen Jahres 5780 als dem höchsten jüdischen Feiertag, kostete zwei Menschenleben und markiert für Micha Bumlik eine Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik. Dabei ordnet der Autor Halle nicht als Anfang beziehungsweise „bloß“ als Mordtat eines verirrten Vereinsamten ein, sondern auch als ein Resultat der politischen Kultur der untergegangenen DDR – wenn auch allgemeine Spätfolgen des okzidentalen Judenhasses sowie des deutschen Nationalsozialismus vorliegend eine Rolle gespielt hätten. Brumlik beleuchtet die Vorgeschichte des Judenhasses speziell im östlichen Teil Deutschlands. Grundsätzlich habe die zahlenmäßig kleine jüdische Bevölkerung der DDR – meist remigrierte, politisch überzeugte Sozialisten und Kommunisten, sich oft in einer Situation befunden, die als freiwillig eingegangene „Falle der Loyalität“ (Anette Leo) gelten könne: Trotz grundsätzlicher Übereinstimmung mit den Zielen des SED-Staates wurden im Stalinismus Juden als „Kosmopoliten“ und „Zionisten“ verfolgt – obwohl Teil eines staatstragenden, wenn auch kritischen Bildungsbürgertums, habe es gegolten, jüdische Mitbürger systematisch von jedem politischen Einfluss fernzuhalten.


Philipp Ther
Die deutsche Schocktherapie
Blätter für deutsche und internationale Politik, November 2019

Philipp Ther beschäftigt sich mit dem Aspekt, dass die Hauptakteure der Transformation in Deutschland aus dem Westen kamen, während im Nachgang die Verantwortung für die schwierige wirtschaftliche Lage Ostdeutschlands oft der bankrotten DDR zugeschrieben wurde. Jene Probleme bei der Transformation Deutschlands seien nicht nur der DDR oder der SED anzulasten. Die Wahlerfolge der AfD in den ostdeutschen Ländern und zuletzt die Aufarbeitung der Geschichte der Treuhand des Bochumer Historikers Marcus Böick haben für Ther eine überfällige Debatte über vermeidbare Fehler bei den Reformen und insbesondere der Privatisierung ausgelöst: Die Wirtschaftsreformen in den „fünf neuen Ländern“ zielten auf eine rasche Angleichung an den Westen ab, der den Ausgang des Kalten Krieges als Bestätigung des eigenen Systems verstanden hätte. Der sogenannte Washington Consensus als ökonomisches Standardrezept für Krisenstaaten, den mosaischen Geboten gleich als Dekalog formuliert und zunächst für schuldengeplagte Länder Lateinamerikas gedacht, habe dann vor allem im postkommunistischen Europa Anwendung gefunden, bestehend aus makroökonomischer Stabilisierung, faktisch ein Sparprogramm, gefolgt von der Triade Liberalisierung, Deregulierung, Privatisierung. Gegen Ende werbe der Dekalog für „Foreign Direct Investments“ beziehungsweise den globalen Finanzkapitalismus. Auch wenn der damalige deutsche Finanzminister Theo Waigel und der Architekt der Einheitsverträge, Wolfgang Schäuble, als Ordoliberale nicht zu den Anhängern der neoliberalen Chicago School of Economics oder einer Schocktherapie zählten, beschreibt der Autor , wie sich dieses Reformkonzept – trotz sozialer Abfederung, einer stärkeren staatlichen Regulierung und des Systems der kollektiven Tarifverträge – ausgewirkt hat.


Annette Simon
Wut schlägt Scham – Das „Wir sind das Volk“ der AfD als nachgeholter Widerstand
Blätter für deutsche und internationale Politik, Oktober 2019

Annnette Simon widerspricht in ihrem Beitrag der These, dass die ostdeutsche oder gar DDR-Identität erst nach der Wende durch die schwierigen, teilweise traumatischen Erfahrungen der Ostdeutschen im Vereinigungsprozess entstanden sei. Für die Autorin gehe dies am Kern der Sache vorbei, denn jede*r in der DDR lebende Bürger*in habe sich irgendwie zu diesem Staat in Bezug setzen müssen, weil das Individuum zwangsläufig und konstant mit ideologisch-hierarchischen Machtstrukturen konfrontiert gewesen sei. Dies habe auch immer mit der eigenen Identitätsbildung zu tun. Ostdeutsche teilten somit den gleichen Erfahrungsraum, in dem sie sich indes unterschiedlich verhalten hätten. Hinzu komme, dass Selbstbewusstsein und Selbstverständnis aus dem eigenen Inneren angegriffen würden, wenn einem zunehmend bewusster werde, in einer Diktatur gelebt zu haben. Jene narzisstische Kränkung von außen in Addition einer solchen eigenen Verunsicherung von innen stelle eine hohe Anforderung an die Stabilität und das Reflexionsvermögen, was nicht jeder aufbringen könne. Darüber hinaus fühlten sich manche Ostdeutsche durch die Art des öffentlichen Umgangs mit ihrer Vergangenheit beschämt. Diese alte, oft unbewusste und verdrängte Scham aus der DDR-Zeit, in der man sich Zwängen mehr als notwendig gebeugt hatte, werde nun in vielfältiger Weise reaktiviert. Simon erläutert zudem die Mechanismen einer familiarisierten DDR-Kultur mit all ihren Vor- und Nachteilen und gelangt vor diesem Hintergrund zu der Einschätzung, dass die AfD keine „Emanzipationsbewegung des Ostens“ sei, vielmehr sie greife auf dumpfe Reflexe gegen die Fremden zurück und kämpft in einer Art nachgetragenem Ungehorsam gegen die Demokratie der Bundesrepublik, die die Flüchtlinge aufgenommen hat. Dass gerade diese Demokratie sie als Partei zulasse und wenn nötig sogar mit Polizeigewalt schütze, erreiche nicht den Horizont vieler Anhänger*innen, die mit ihrem Hass auf Andersartige manchmal auch die Westler meinten.


Albrecht von Lucke
Die rechte Wende: Der ganz normale Osten
Blätter für deutsche und internationale Politik, Oktober 2019

In diesem Beitrag analysiert Albrecht von Lucke den Niedergang der Linkspartei und die Normalisierung einer Neuen Rechten, die alle Anstalten machte, nicht nur ganz weit nach rechts, sondern auch in die ganze Republik auszugreifen. Der Osten fungiere dabei als Avantgarde und mögliche Vorwegnahme dessen, was im Westen auch passieren könne: der Aufstieg der AfD zu einer neuen Volkspartei. Mit den Wahlen in Brandenburg und Sachsen habe die AfD erstmals eine Wiederwahl erfolgreich bestanden und ihre Stimmanteile verdoppelt beziehungsweise sogar verdreifacht. Zusammen mit den Wahlerfolgen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt sei die AfD die neue Volkspartei des Ostens, genauer: die neue „Volksprotestpartei“. Wer indes glaube, dass es sich dabei um eine ostdeutsche Abnormität handele, verkenne, dass Ostdeutschland für die europäische „Normalität“ stehe: In weiten Teilen Europas, von Italien über Österreich bis nach Schweden, rangierten Rechtspopulisten an zweiter Stelle des Parteiensystems, wenn sie nicht bereits wie in Ungarn und Polen faktisch die Macht übernommen hätten. Die „europäische Normalisierung“ der Bundesrepublik entpuppe sich folglich heute – völlig anders als erhofft – nicht als eine linke, sondern als eine rechte.


Constanze Stelzenmüller
The AfD wolf is at the door in east Germany
Brookings Institution, Order from Chaos 9. September 2019

Constanze Stelzenmüller untersucht die These, dass ein Viertel der Ostdeutschen die AfD nicht aufgrund der Wirtschaft oder der Migrationspolitik gewählt hätten, sondern weil sie sich in einer tiefergehenden Entfremdung gegenüber Westdeutschen in Politik und Wirtschaft als Bürger zweiter Klasse zurückgesetzt fühlten. Auch drückten Ostdeutsche eine größere Skepsis gegenüber der liberalen Demokratie und dem Marktkapitalismus aus. So hätten drei Viertel der AfD-Wählerschaft in Sachsen diese Partei laut Umfragen nicht trotz, sondern gerade aufgrund ihrer Inhalte gewählt, eine radikal-autoritäre Partei, die offen für einen Systemwechsel stehe. Eine solche Wahlentscheidung aus Protest sei somit auch eine Entscheidung für die AfD als Partei des Protests gegen die liberale Demokratie und die offene Gesellschaft. Daher gelte es, sich seitens der demokratischen Kräfte Deutschlands unbedingt der legitimen Sorgen ihrer ostdeutschen Mitbürger zu stellen, wobei die Autorin das Bild des Wolfs vor der Tür gebraucht.


Cornelia Koppetsch, im Interview mit Claudia Detsch
Weltoffenheit + Europäisierung = Ungleichheit? Cornelia Koppetsch im Gespräch über den Aufstieg der Rechten, Lebenslügen der Linken und Gesellschaften des Zorns
IPG-Journal, 26. August 2019

In diesem Gespräch mit Cornelia Koppetsch über den Aufstieg der Rechten, Lebenslügen der Linken und Gesellschaften des Zorns geht es unter anderem um die These, dass es eine länderspezifisch zu betrachtende Frage sei, inwieweit Rechtspopulismus als Ergebnis eines noch nicht abgeschlossenen Struktur- und Mentalitätswandels verstanden werden kann. In Deutschland sind die Auswirkungen der Globalisierung noch nicht so stark, weil Deutschland ein absoluter Globalisierungsgewinner sei, während Länder im Osten die Entwicklungen eher zwiespältig sähen. Man müsse davon ausgehen, dass sich in Osteuropa der Rechtspopulismus halte und an Einfluss gewinne. Das Gleiche gelte für Ostdeutschland, welches im Prinzip auch einen Wendeverlierer darstelle.


Wolfgang Engler
Verheißung und Enttäuschung
Blätter für deutsche und internationale Politik, August 2019

Wolfgang Engler nimmt das Paradoxon emanzipatorischer Prozesse nach Alexis de Tocqueville zum Ausgangspunkt seiner Analyse: „Sehr oft geschieht es, dass ein Volk, das die drückendsten Gesetze ohne Klage und gleichsam, als fühlte es sie nicht, ertragen hatte, diese gewaltsam beseitigte, sobald ihre Last sich vermindert“. Dies sei geeignet, die Unzufriedenheit vieler Ostdeutscher mit dem bereits Erreichten aus eben jener emanzipatorischen Logik heraus zu verstehen, die keine Halbheiten gelten lasse und stets aufs Ganze ziele, in ihrem Fall auf die Anerkennung als Bürger erster Klasse. Die Ostdeutschen segelten dabei politisch in neurechtem Fahrwasser oder gar im rechtsradikalen Sumpf. Eine lange dominante Sicht mache die DDR dafür verantwortlich und berufe sich auf Spätfolgen der zweiten deutschen Diktatur. Anders als die Westdeutschen seien die Menschen im Osten an die Üblichkeiten einer weithin „geschlossenen Gesellschaft“ äußerlich wie innerlich angepasst. Nach 1989 unversehens in die „offene Gesellschaft“ entlassen, erlebten sie diese jähe Wende vielfach als Schock und klammerten sich, um damit zurechtzukommen, an ihr mentales Erbe. Hooligans skandierten rassistische Slogans, verwüsteten Züge, prügelten sich mit Ordnungshütern. Andere richteten ihren Frust gegen „linke“ Bands oder Umweltbewegte, staffierten sich mit NS-Symbolen aus und gerierten sich offen als „Faschos“. Die Aus- und Überfälle der frühen Umbruchjahre verweisen für Engler auf Wurzeln in der (späten) DDR. Aber je weiter man sich von dieser Zeit abstößt und auf die jüngere Gegenwart zubewegt, desto fragwürdiger werde diese Zurechnung. Demokratiefeindschaft unbeirrt der DDR zuzuschreiben, kritisiert Engler als dreifachen Fehler: Er infantilisierte die im Osten lebenden Menschen, indem er die Erfahrungen, die sie sie seit 1989 sammelten, für irrelevant erklärt. Zudem gelte es das habituelle Erbe der DDR in seiner Widersprüchlichkeit zu betrachten, statt eindimensional als Handicap. Und schließlich rechtfertigte eine solche Sichtweise stattgefundene Fehlentwicklungen, Ungerechtigkeiten, und Kränkungen, die mit dem Umbruch einhergingen, zahllose Menschen aus der Bahn warfen, zeitweise oder auf Dauer zu Bürgern zweiter Klasse stempelten.


Albrecht von Lucke
„Der Osten steht auf“: Die AfD als Führerpartei
Blätter für deutsche und internationale Politik, August 2019

Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht die Frage, wie sich Björn Höcke als charismatische Führerfigur stilisiert und sich dabei bestimmter Topoi bedient. Schon lange sei der Thüringer AfD-Chef das Gesicht des Flügels, erklärt Albrecht von Lucke. Nun beanspruche dieser, mit seiner Art der Politik letztlich die AfD in Gänze zu verkörpern mit dem Ziel, aus der AfD eine Führerpartei zu machen – ausgerichtet auf die eigene Person. Bereits die bisherige AfD-Geschichte sei von starker Personalisierung gekennzeichnet: Die Gründerfigur Bernd Lucke und die Übergangsvorsitzende Frauke Petry seien hierbei nennenswert, doch der Kult um Björn Höcke sei nunmehr ein echter Führerkult und der von ihm erhobene Führungsanspruch der (vorerst) letzte von drei großen Schritten einer fortgesetzten Selbstradikalisierung der Partei. Dabei kommt der Autor auch zu dem Schluss, dass eben dieser Frontalangriff Höckes auf die eigene Parteiführung mit dem ebenfalls dabei zur Schau getragenen Führerkult vor allem im Osten, aber keineswegs nur dort, kaum noch irritiere. Im Gegenteil, merkt von Lucke an, werde autoritäre Führerschaft mit wachsendem Unbehagen an der Demokratie allmählich attraktiv, wie auch der bemerkenswerte Zuspruch speziell für Wladimir Putin („Putin hilf!“) belege.


David Begrich
AfD: Die neue Macht im Osten
Blätter für deutsche und internationale Politik, Juli 2019

Bei der Frage, ob sich in Ostdeutschland die AfD auf dem Weg zur Volkspartei befindet, gelte es zunächst einmal zu bedenken, schreibt David Begrich, dass es „den Osten“ nicht gäbe. Wie bereits bei den Bundestagswahlen sei in Ostdeutschland auch bei der Europawahl ein Süd-Nord-Gefälle der AfD-Ergebnisse erkennbar, zwischen Sachsen mit 25 Prozent und Mecklenburg-Vorpommern mit 17 Prozent. In Rostock etwa komme die AfD über 12 Prozent nicht hinaus, in manchen sächsischen Städten liege sie hingegen sogar bei über einen Viertel der Stimmen. Zudem schneide die Partei in den Hochburgen der rassistischen Mobilisierungen seit 2015 wie Chemnitz und Cottbus besser ab als dort, wo es diese Mobilisierungen nicht gegeben habe oder sie auf entschiedenen Widerstand stießen. So kann die AfD in jenen ostdeutschen Großstädten, in denen starke soziokulturelle Kerne und studentische Milieus das gesellschaftliche Klima mitprägten – wie in Jena, Halle oder Potsdam –, nicht so stark punkten wie im kleinstädtisch-ländlichen Raum, wo Abwanderung, der Rückbau der Infrastruktur und eine in den 1990er-Jahren aufgebaute Hegemonie rechter Jugendkultur prägend seien. Diese Spaltung durchziehe jedoch ebenso die genannten Städte selbst. Gemessen in absoluten Zahlen sei im Osten allerdings nicht die AfD die Gewinnerin der Europawahl gewesen, sondern wie schon so oft die Nicht-Wähler*innen. Die Stärke der AfD im Osten führt Begrich auf komplexe Ursachen zurück: So gebe es eine seit fast zwei Jahrzehnten verfestigte hohe Zustimmungsbereitschaft zu rassistischen und autoritären Einstellungen. Hinzu komme eine wachsende Schwäche der demokratischen Parteien im ländlichen Bereich, wo sich bisweilen keine demokratischen Kandidaten mehr für Bürgermeisterposten und Gemeinderäte fänden. Auf diese Weise seien über die vergangenen Jahre leere Räume der Gesellschaftspolitik entstanden, die rechtsextreme Kreise mit Erfolg füllten. Dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung brauche es eine Debatte über die Verfasstheit der Demokratie im Osten und die Frage, aus welchen Quellen sie sich speise: Wie werde die ostdeutsche Erfahrung eines demokratischen Aufbruchs aus eigener Kraft heutzutage repräsentiert? Welche ostdeutschen Erinnerungslinien gelte es wiederzuentdecken und zu bewahren? Die AfD profitiere zudem von der Umbruchserfahrung der ostdeutschen Wähler, indem sie an das systemübergreifende Krisenbewusstsein im Osten appelliere. Die Erzählungen anderer Parteien von Stabilität und Wohlstand griffen hingegen hier offenkundig nicht mehr.


Albrecht von Lucke
Die Transformation der Volksparteiendemokratie
Blätter für deutsche und internationale Politik, Juli 2019

Albrecht von Lucke beobachtet die bislang tiefgreifendste Erosion der bundesrepublikanischen Demokratie beziehungsweise ihre Transformation zu einer bisher noch nicht klar absehbaren neuen Formation: Die alte Republik war eine Volksparteidemokratie; Union und SPD bildeten ihre tragenden Pfeiler. Doch heute funktionieren sie nicht länger als milieu- und regionenübergreifende Klammer. Dafür entstünden mit Grünen und AfD zwei „halbe Volksparteien“, die den Volkspartei-Status entweder nur im Westen oder im Osten für sich reklamieren könnten. Wie der gesamte Kontinent sei auch die Berliner Republik anders als ihre Bonner Vorgängerin tief gespalten, aufgrund dreier sich teilweise überlappender Konfliktlinien: ökologisch-postmaterialistisch, vornehmlich im Westen, versus ökonomisch-materialistisch, vornehmlich im Osten, jung versus alt, und zwar durchaus länderübergreifend, und schließlich weltoffen-progressiv versus national(istisch)-reaktionär, oft einhergehend mit dem Gegensatz von Stadt und Land. Mit dieser neuartigen Polarisierung verabschiede sich die Bundesrepublik aus ihrer Kultur der Mitte. Die alte Republik sei hochgradig mitte-zentriert gewesen, die „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ vor allem mehr kulturell als sozial nivelliert: Heute sei ein neues Bedürfnis, radikal zu denken erkennbar. Die einst breite Mitte der Volksparteien leere sich, während sich die Gesellschaft polarisiere. Die Transformation der Demokratie folge der großen Transformation des realexistierenden Kapitalismus. Dieser stoße an seine Grenzen – ökologisch, sozial, aber auch ökonomisch – und setze immenses Konfliktpotenzial frei. Alle diese Konflikte gehen mit massiven gesellschaftlichen Ausdifferenzierungen und Polarisierungen einher. Die bipolare Ordnung der alten Bundesrepublik, basierend auf zwei starken Volksparteien, sei inzwischen Vergangenheit.


Joachim Klose
Erfolgreich, aber irritiert
Die Politische Meinung, Konrad-Adenauer-Stiftung, 21. Juni 2019

Für Joachim Klose scheint sich das Selbst- und Fremdbild der Bevölkerung in Sachsen vom Konsens in der alten Bundesrepublik zu unterscheiden. Dies versucht der Autor zunächst mit einem Vergleich bezüglich der Medienreaktionen angesichts der Demonstrationen in Chemnitz und im Hambacher Forst zu erhellen: Beide Demonstrationen besaßen ein hohes extremistisches Gewaltpotenzial, das sich anlassbezogen entzündete und sich gegen den Staat und die freiheitliche Demokratie wendete. Klose fragt, warum die Bürger in Chemnitz für den Extremismus medial in Mithaftung genommen wurden und im Hambacher Forst nicht. Dieser Konflikt resultiert für Klose aus konträren gesellschaftlichen Erfahrungsräumen: Während Westeuropa das Programm des individualistischen Universalismus bis in die letzte Konsequenz verfolge, kenne Osteuropa weitgehende Gruppenloyalitäten und -identitäten, aber auch die Konsequenzen des vormundschaftlichen Staates und den real existierenden Sozialismus. In Sachsen träfen beide Erfahrungsräume aufeinander, denn während die ehemaligen DDR-Bürger*innen dort die Probleme der osteuropäischen Gesellschaften teilten, sei die Funktionselite in Sachsen überwiegend durch westeuropäische Erfahrungen geprägt – nur 23 Prozent der Führungspositionen seien mit Ostdeutschen besetzt. Allgemein seien die Einstellungen der Menschen in Ost- und Westdeutschland einander ähnlich; beide bejahten die westlichen Werte und die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Unterschiede würden aber bei konkreten Fragen wie der politischen Beteiligung, der Bedeutung von Religion und der Bewertung von Freiheitsrechten sichtbar. Klose hält einen „zeitliche[n] Verzug der Entwicklungen in den östlichen Ländern“ für wahrscheinlich, denn auch in der Bundesrepublik habe die Zustimmung zur Demokratie in Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum erst langsam zugenommen.


Norman Siewert
Rechtsextreme Gewalt in Deutschland vor dem Hintergrund der „Flüchtlings- und Migrationskrise“
Analysen und Argumente, Konrad-Adenauer-Stiftung, 15. Januar 2019

Norman Siewert beschreibt unter anderem das Konzept des „führerlosen Widerstandes“ im gewaltorientierten Rechtsextremismus. In Deutschland habe dies seit Mitte der 1990er-Jahre insbesondere im ostdeutschen Skinhead-Milieu verstärkt Anklang gefunden. Hier kursierten Vorstellungen vom bevorstehenden „Rassenkrieg“ und in den entstandenen „Freien Kameradschaften“, die sich als nationalrevolutionärer Widerstand begriffen, hätten darüber hinaus Überlegungen von der einen „Signaltat“, existiert, „die der Wiederauferstehung der NSDAP und der SA vorausginge“. So habe zum Beispiel bekanntermaßen das NSU-Trio Ende der 1990er-Jahre enge Verbindungen zur mitteldeutschen Skinhead- sowie Kameradschaftsszene unterhalten.


Daniel Gros
Sex and populism
International Politics and Society, 25. September 2018

Daniel Gros ergänzt die Diskussion über die gewalttätigen Zusammenstöße zwischen rechtsgerichteten Demonstranten, Polizisten und Gegendemonstranten am Rande des Chemnitzer Stadtfestes 2018 um einen geschlechterbezogenen Aspekt. Die Unterstützung der Rechtspartei Alternative für Deutschland (AfD) sei in Chemnitz und in der Region insgesamt stark, wobei die meisten Angriffe auf Ausländer in den neuen Bundesländern stattgefunden hätten. Mit Kriminalität und Arbeitslosigkeit seien die Ereignisse indes nicht zu erklären, denn in Chemnitz lebten weniger Ausländer als in vielen ähnlichen Städten Deutschlands, und die Kriminalität sei dort im Allgemeinen unter Kontrolle. Darüber hinaus war die – in ganz Deutschland rückläufige – Arbeitslosigkeit in Chemnitz mit 7 Prozent nicht besonders hoch. Für Gros könnte ein Anteil des Geschehenen seinen Ursprung in der Evolutionspsychologie haben: Zwei Drittel der zugewanderten Schutzsuchenden der vergangenen drei Jahre in Deutschland seien Männer gewesen – viele davon im Alter von 18 bis 35 Jahren. Während die Gesamtzahl der Geflüchteten an der Gesamtbevölkerung Deutschlands gering ist (2,5 Prozent), liege der Anteil der Flüchtlinge an der jungen männlichen Bevölkerung in Deutschland weitaus höher. Die Auswirkungen seien nach Ansicht des Autors vor allem in Ostdeutschland spürbar, da dort ein zahlenmäßiges Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern bestehe – in den meisten Teilen der Region nähere sich die Geschlechterverteilung in den jüngeren Kohorten einem Wert von 115:100. Gebildete Frauen neigten zudem viel eher als Männer dazu, wegen gut bezahlter Jobs nach Westdeutschland umzuziehen. Damit verfüge ein erheblicher Anteil der jungen männlichen Bevölkerung Ostdeutschlands über nur geringe Chancen, eine Partnerin zu finden und eine Familie zu gründen. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, dass der verstärkte Wettbewerb um Partnerinnen im Falle eines deutlichen Männerüberschusses zu Gewalt führen könne. Die Feindseligkeit gegenüber Ausländern in Ostdeutschland – und vielleicht auch in ganz Europa – könne also teilweise in einer ursprünglichen Abwehrreaktion lokal ansässiger Männer begründet sein.


Axel Reitel
Schales Revolutionsglück – Über die Freiheit und ihre Abgründe im ehemaligen Geltungsgebiet der DDR
Die politische Meinung, Konrad-Adenauer-Stiftung, 9. August 2018

Axel Reitel betrachtet den systemübergreifenden Umgang mit Rechtsextremismus. Die sanfte Revolution der Wende habe diese bedrohlichen Kräfte nicht ausgelöst. Schon in der DDR hätten diese ein Klima gehabt, in dem sie gedeihen konnten. Die DDR habe sich „als Nachfolgerin des antifaschistischen Widerstandes der KPD“ betrachtet, sodass es überhaupt keine „Schuldfrage“ hatte geben können. Nach Aussage von Bernd Wagner, Leiters des Rechtsextremismus-Aussteigerprogrammes „EXIT-Deutschland“, sahen die Neonazis „in der DDR […] ’ne passable Konstruktion, die eher verwandt war mit dem Nazi-Reich, dem alten, so von der gesellschaftlichen Aufbaustruktur her. Und auch bestimmte Mentalitätsbestände fanden die also gar nicht so schlecht, aber das hätte durchgesiebt werden müssen, durchgewaschen. Dann wäre das also ’ne gute Sache gewesen. Also ’ne Art dritter Weg. Also jenseits vom westdeutschen Kapitalismus.“ Die Rechten boten in der Situation eines extremen Umbruchs bekannte Konstrukte der klaren Kante. Auch heute noch seien sie, gemessen an ihren Mitgliederzahlen, eine laute Gruppierung, die interessant sei für Individuen, die gerne sämtliche Wahrheiten verkürzt, abkürzend und sofort portionsgerecht auf der Hand haben wollten. Zumindest dies teilten die Rechten dann mit der alten Welt der DDR-Funktionäre.


Wilhelm Heitmeyer, interviewt von Matthias Micus und Marika Przybilla-Voß
„Was als normal gilt, kann nicht mehr problematisiert werden“
INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft, Heft 3, November 2017

In diesem ausführlichen Interview rekapituliert Wilhelm Heitmeyer, von 1996 bis 2013 Direktor des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, Erkenntnisse aus der Langzeitstudie „Deutsche Zustände“. Im Mittelpunkt standen dabei stets die „Schattenseiten der Globalisierung“ (so auch der Titel des ersten Bandes). „Schon damals ging es um Rechtsradikalismus, Rechtspopulismus und separatistischen Regionalismus in westlichen Demokratien – dies zu einem Zeitpunkt, als das noch nicht die große Frage war, aber es erschien uns notwendig. Der Antrieb war schon zu diesem Zeitpunkt, ein Gespür dafür zu entwickeln, was sich außerhalb des Mainstreams beobachten lässt.“ Im Hintergrund hätten Thesen über die Verkoppelung von autoritärem Kapitalismus, Demokratieentleerung und Rechtspopulismus gestanden. Mit Blick auf Ostdeutschland stellt Heitmeyer fest, dass seiner Ansicht nach viele „Pegida“-Mitläufer „gar nicht hinhören, was da auf dem Lautsprecherwagen gesagt wird, sondern dass das Wichtigste schlicht das Gemeinschaftsgefühl ist, der Eindruck, Teil einer großen Gruppe, eines Kollektivs, zu sein“. Auch sei es „eine interessante Überschneidung“, dass der Protest, der sich vor dem Hintergrund einer Entwicklung formierte, in der „die Demokratie als Dienerin des Marktes“ auftritt, gerade in Dresden kulminierte – „in einer Stadt, die sich von ihren Schulden freigekauft hat, indem sie den gesamten sozialen Wohnungsbau an einen amerikanischen Investor verkauft hat, der sich für das Funktionieren des Gemeinwesens nicht interessiert und dies in der Logik des hier Vorgetragenen auch nicht soll und darf. Kurzum: Wir sehen eine Verschiebung der Kontrollmöglichkeiten“.


Heinrich Best / Steffen Niehoff / Axel Salheiser / Lars Vogel
Thüringen-Monitor 2017: Thüringens ambivalente Mitte: Soziale Lagen und politische Einstellungen
Institut für Soziologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 1. November 2017

Im Jahr 2000 ist mit der Dauerbeobachtung der politischen Kultur in Thüringen begonnen worden, seither werden „jährlich empirische Befunde zur Entwicklung der Demokratiezufriedenheit, der Demokratieunterstützung und den politischen Einstellungen der Thüringer Bevölkerung generiert“, heißt es einleitend in der Zusammenfassung. Im Mittelpunkt habe in diesem Jahr die Vermessung der sozialen und politischen Mitte gestanden, schreibt Heinrich Best weiter, zu den Befunden zähle, dass 93 Prozent der Befragten mit ihrem Lebensstandard zufrieden seien. Allerdings fühlten sich 69 Prozent der Befragten politisch nicht wirksam vertreten. Ein wesentlicher Kritikpunkt sei auch die Verteilungsgerechtigkeit. Mehr als die Hälfte der Befragten äußere sich negativ über Langzeitarbeitslose, die damit nach den Muslimen die am stärksten abgelehnte Gruppe darstellten.

Wahrnehmungen über (vermeintliche) Ungerechtigkeiten in der Verteilung zeige sich auch in Form von Fremdenfeindlichkeit. Diese und der Rechtsextremismus werden in der Studie detailliert analysiert. „Wenn wir nach Erklärungen für ‚Rechtsextremismus‘ und die mit ihm verbundenen Einstellungssyndrome ‚Ethnozentrismus‘ und ‚Neo-Nationalsozialismus‘ suchen, dann haben bei einer Analyse der Ursachen ein höherer Berufs- und Bildungsstatus eine dämpfende Wirkung (letzterer allerdings nicht auf neo-nationalsozialistische Einstellungen). Die Einkommenshöhe trägt nicht signifikant zur Erklärung bei, ebensowenig wie Arbeitslosigkeit oder die Furcht um den Arbeitsplatz. Allgemein können wir festhalten, dass nicht allein die objektive soziale Lage der Befragten Einfluss darauf hat, dass sie rechtsextrem eingestellt sind. Bedeutsam und teilweise sogar bedeutsamer ist die subjektive Wahrnehmung und Bewertung der sozialen Lage in den Köpfen der Befragten. So erhöht die Furcht vor dem Verlust des eigenen sozialen Status signifikant eine ethnozentrische, aber nicht eine neo-nationalsozialistische Einstellung, während das Gefühl der individuellen Benachteiligung und der ‚Ostdeprivation‘ erheblich eine neo-nationalsozialistische Einstellung erhöht.“ (Seite 9 der Zusammenfassung)

Bei der Vorstellung der Studie erklärte Best laut MDR außerdem, dass die AfD nicht so schnell wieder aus deutschen Parlamenten verschwinden werde. Diese sei weniger eine Protest- als vielmehr eine Milieu-Partei. „Die Partei wird dem Wissenschaftler zufolge von Leuten gewählt, die über Jahre hinweg eine stabil kritische bis feindliche Haltung gegenüber Ausländern und politischen Eliten gezeigt hätten. Diese Menschen hätten sich vor der Gründung der AfD von keiner Partei angemessen vertreten gefühlt, jetzt aber eine politische Heimat gefunden“. Dies sei zunächst ein Zeichen dafür, dass das politische System funktioniere.

Robert Vehrkamp
Rechtspopulismus in Deutschland: Zur empirischen Verortung der AfD-Wähler vor der Bundestagswahl 2017
WZB Democracy Blog, 14. September 2017

„Aber was ist Populismus? Wie lässt er sich inhaltlich definieren? Und (wie) lässt sich Populismus empirisch messen?“ Robert Vehrkamp stellt diese Fragen vor dem Hintergrund der Bundestagswahl 2017. Die Forschung sei sich über die zwei Dimensionen des Populismus einig: „Zum einen Anti-Establishment und zum anderen Anti-Pluralismus.“ Eine repräsentative Umfrage zeige die rechtspopulistischen Einstellungen der AfD-Wähler auf, wobei die Daten an dieser Stelle nicht regional ausdifferenziert werden. Der Autor erläutert die Selbsteinschätzung der AfD-Wähler und deren Zuordnung als Anhänger des Populismus.

Matthias Quent
Hassgewalt und Rechtsterrorismus – aktuelle Entwicklungen, Hintergründe und religiöse Aufladungen vorurteilsgeleiteter Radikalisierung
Vortrag bei der Tagung „(Un-)Sicherheiten im Wandel. Gesellschaftliche Dimensionen von Sicherheit“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie des Fachdialog Sicherheitsforschung am 23. Juni 2017 in Berlin, Urania

Matthias Quent diskutiert verschiedene rechte Gewalttaten, die im ganzen Bundesgebiet verübt worden sind, als Hassverbrechen. Diese reichten über den Bereich des „klassischen Rechtsextremismus“ hinaus und sollten theoretisch seit 2001 als solche von der Polizei erfasst werden. Erst 2016 habe das Bundesinnenministerium entsprechende Daten erstmals veröffentlicht, die allerdings mit Defiziten behaftet seien. „Interessant ist es, die Befunde der Einstellungsforschung der Entwicklung der Vorurteilskriminalität gegenüberzustellen. So zeigen die Werte aus den Bielefelder Untersuchungen, dass im Gegensatz zu den polizeilich erfassten Straftaten der Anteil von Menschen, die gegenüber den hier genannten Gruppen feindlich eingestellt sind, im selben Zeitraum insgesamt zurückgegangen ist: Es gibt dem folgend nicht mehr menschenfeindlich eingestellte Personen, sondern eine Radikalisierung im Sinne einer gesteigerten Handlungsbereitschaft im Kontext der Asyldebatte.“

Wolfgang Benz
Aufstand der Ratlosen? Vormarsch der Rechten? Krise der Demokratie? Fremdenhass und Wutmenschentum in schwierigen Zeiten
Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft, 6. April 2017

„In dem Beitrag werden eine historische Einordnung und eine Erklärung aktueller Migrationsbewegungen sowie rechter Gegenmobilisierungen gegeben. Außerdem stellt der Autor dar, welche Schlussfolgerungen aus der Geschichte zu ziehen sind für aktuelle Strategien im Umgang mit Populismus, Extremismus und Demagogen.“ (Abstract)

Christoph Lammert
Die extreme Rechte in Thüringen zwischen Kontinuität und Wandel
Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft, 6. April 2017

Christoph Lammert zeichnet aktuelle Entwicklungen und Veränderungen in der extremen Rechten in Thüringen nach. Im Fazit schreibt er: „Die extreme Rechte hat in den vergangenen zwei Jahren in verschiedener Form auf die gewandelten politischen und gesellschaftlichen Kontexte reagiert. Vor allem im Rahmen der Diskussionen um die steigenden Geflüchtetenzahlen hat die Szene verstärkt versucht, Anschluss an die ‚Mitte der Gesellschaft‘ zu bekommen. Neben einigen Achtungserfolgen, die vor allem bei der Mobilisierung auf der Straße zu verzeichnen waren, konnte die extrem rechte Kern-Szene allerdings kaum von der Situation profitieren. In Thüringen sind es vor allem die RechtsRock-Netzwerke, welche in den vergangenen Jahren weiter ausgebaut wurden und auch durch den Erwerb zahlreicher Immobilien mittlerweile fest im Freistaat verankert sind. Daneben entstanden teils neue neonazistische Jugendgruppen, die sich durch ein modernes Auftreten auszeichnen, sich in ihrer Ideologie und Gewaltbereitschaft aber kaum von anderen extrem rechten Gruppen unterscheiden. Neben diesen Veränderungen der organisierten extremen Rechten sind es vor allem rechtspopulistische und ‚neurechte‘ Akteur*innen, welche von der gesellschaftlichen Stimmung profitieren konnten – sowohl elektoral als auch bei der Mobilisierung auf der Straße.“ (81)

Axel Salheiser
Weltoffen oder fremdenfeindlich? Die Einstellungen der Thüringer Bevölkerung gegenüber Asyl, Migration und Minderheiten
Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft, 6. April 2017

„Die Aufnahme und Integration von Asylsuchenden ist Gegenstand einer kontroversen Debatte, in der über das angemessene politische Handeln und über die gesellschaftlichen Folgen der Migration diskutiert wird. Dabei rücken auch die Werte und die Ziele unserer demokratischen Gesellschaft in den Mittelpunkt. Der Thüringen-Monitor erfasst dazu das Meinungsbild der Thüringer Bevölkerung und widmet sich Tendenzen der Demokratiegefährdung, wie sie in rechtsextremen Einstellungen und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zum Ausdruck kommen.“ (Abstract)

Oliver Decker / Johannes Kiess / Elmar Brähler (Hrsg.)
Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellungen in Deutschland
Gießen, Psychosozial-Verlag 2016

Vorgestellt werden die Ergebnisse der Leipziger Mitte-Studie 2016. Im Vorwort halten die Autoren fest, dass die klassischen rechtsextremen Einstellungen im Untersuchungszeitraum nur geringfügig zugenommen und Vorurteile gegen Migranten etwas abgenommen hätten. Zugleich aber hätten sich die Vorurteile zunehmend auf Asylsuchende, Muslime sowie auf Sinti und Roma konzentriert. Die schon zuvor dokumentierten fremdenfeindlichen und autoritären Einstellungen hätten nun durch Veränderungen im Parteiensystem eine politische Heimat gefunden. „Während die demokratischen Milieus in Deutschland stärker und größer werden, entwickeln sich andere Milieus in die entgegengesetzte Richtung: Offensiv vertretene völkisch-nationale Positionen werden dort als genauso akzeptabel angesehen, wie Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung.“ (8) Entsprechend sind in diesem Band PEGIDA, der AfD und rechten Gewalttaten eigene Kapitel gewidmet.

Matthias Quent / Maria Diedrich
Rechtsextremismus und zivilgesellschaftliches Engagement in der Krise? Kurzfassung der Situations- und Ressourcenanalyse für den Saale-Holzland-Kreis
Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft, November 2016

Diese Untersuchung für den Saale-Holzland-Kreis „verbindet sozialwissenschaftliche Befunde mit Wissensbeständen und Alltagserfahrungen von Kenner*innen der politischen Sphäre und der rechtsextremen Szene vor Ort. Eine solche Forschungsstrategie intendiert neben dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn die Stärkung der demokratischen Zivilgesellschaft. Ausgewertet wurden für die Untersuchung 1) öffentliche Quellen (u. a. Presseberichte und Behördenangaben, Archive und Akten öffentlicher Träger, Beiträge in sozialen Netzwerken, einschlägige Literatur), 2) Daten aus teilnehmenden Beobachtungen von öffentlichen Versammlungen, politischen Kundgebungen und Akteurstreffen zivilgesellschaftlicher Initiativen und 3) Interviews mit insgesamt 18 Personen aus unterschiedlichen Bereichen der Zivilgesellschaft im SHK.“ (aus dem Abstract)

Torben Schwuchow
AfD: Radikale Bürgerliche
Göttinger Institut für Demokratieforschung, 30. August 2016

Im Mittelpunkt des Beitrags steht das politische Profil der AfD in Mecklenburg-Vorpommern, die sich als einzig wahre Repräsentantin des Volkes inszeniere. „Nationalistische bzw. völkische Denkmuster treffen auf eine anti-feministische Haltung, werden auf die Spitze getrieben und damit radikal weitergedacht“, beschreibt Toben Schwuchow die inhaltliche Ausrichtung, dennoch sei die AfD nicht als rechtsextrem oder faschistisch einzuordnen, dazu fehlten ihr der Bewegungscharakter und die Militanz. Diejenigen, die für „die viel beschworenen Modernisierungsverlierer kandidieren“, seien Rechtsanwälte, Diplomökonomen, Polizeibeamte und Unternehmer.

Steffen Kailitz
Rechte Kampagnen damals und heute
Cicero, 13. November 2015

Steffen Kailitz, Dozent am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden, zeigt die historischen Kontinuitäten von Flüchtlingsabwehr und Fremdenfeindlichkeit auf: „Wo heute über ‚Transitzonen‘ – auf der politischen Rechten gar über ‚Rückführungslager‘ und ‚Abschiebezentren‘ – nachgedacht wird, da forderte so mancher ‚besorgte‘ Bürger 1920 weit über die Grenzen des rechtsextremen Lagers hinaus ‚Konzentrationslager‘ oder ‚Internierungslager‘ für die ‚Ostjuden‘. Wer der Pegida-Mär glaubt, die Bewegung sei ein Wiedergänger des für die Demokratie demonstrierenden Volkes im Herbst 1989, der unterliegt einem fatalen Irrtum. Die Parolen des Hauptstroms der ‚Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes‘ in Dresden zielen wie die Parolen der völkischen und deutschnationalen Patrioten gegen die Judaisierung des ‚Abendlandes‘ zu Zeiten der ‚Ostjudenkampagne‘ in München Anfang der 1920er-Jahre gegen Liberalismus und Demokratie.“

Alexander Häusler
Die AfD. Partei des rechten Wutbürgertums am Scheideweg
Friedrich-Ebert-Stiftung, Expertisen für die Demokratie 1/2015

Seit der Entmachtung des früheren Parteiführers Bernd Lucke und der Hinwendung von Teilen der Partei zu PEGIDA sowie den Kampagnen gegen Flüchtlinge biete sich die AfD „als parteipolitisches Dach für einen rechten Kulturkampf an“, diagnostiziert Alexander Häusler und zieht Vergleiche zur Themensetzung des europäischen Rechtspopulismus. Insbesondere das Feindbild Islam sei anschlussfähig für breitenwirksame rechte Kampagnen. Bei der Bundestagswahl 2013, bei der die Partei knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, erzielte die AfD ihre besten Ergebnisse in den neuen Bundesländern.

Tom Mannewitz
25 Jahre nach der Wiedervereinigung: Welche Demokratie wollen die Deutschen?
Deutschland Archiv / Bundeszentrale für politische Bildung, 22. Januar 2015

Es fehle an objektiven Maßstäben zur Abbildung der politischen Kultur in Deutschland, schreibt Tom Mannewitz, in Umfragen spiegelten sich zudem regionale Unterschiede, die sich nicht auf einen Ost-West-Gegensatz reduzieren ließen – in der Mentalität der Menschen verblasse das Erbe des real existierenden Sozialismus.

Everhard Holtmann / Tobias Jaeck / Infratest Dimap / Oscar W. Gabriel / Melanie Leidecker / Jürgen Maier / Michaela Maier
Deutschland 2014 – Sind wir ein Volk? 25 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit
Öffentliche Vorstellung der Ergebnisse eines Forschungsprojekts. Kurzzusammenfassung der Ergebnisse. Herausgegeben von der Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer
Zentrum für Sozialforschung Halle e. V. an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2015

Aufgezeigt werden Einstellungen zurzeit der DDR, während der Friedlichen Revolution und nach der Einheit. „Ein zentrales Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, Konvergenzen und Divergenzen, also Tendenzen der Annäherung und der Auseinanderentwicklung in den Einstellungen der deutschen Bevölkerung darzustellen, wie sie sich während der zweieinhalb Jahrzehnte seit der Wiedervereinigung im östlichen und westlichen Landesteil als Bestandteile einer gesamtdeutschen politischen Kultur herausgeschält haben.“ (3) Beachtung finden dabei auch kulturelle Traditionsbestände von vor 1945.

Joachim Gauck
Rede anlässlich der Gedenkfeier „Lichtenhagen bewegt sich“ zum 20. Jahrestag der fremdenfeindlichen Angriffe auf das „Sonnenblumenhaus“
Rostock, 26. August 2012

Der Bundespräsident erinnert an die rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen und sein Erschrecken darüber, dass die Fremdenfeindlichkeit in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungen ist. „Selten ist mir aus unserer jüngsten Geschichte so deutlich wie im Fall von Lichtenhagen bewusst geworden, dass wir beides brauchen: Mutige Bürger, die nicht wegschauen, wenn unser demokratisches und friedliches Miteinander im Alltag gefährdet wird. Aber vor allem brauchen wir auch einen Staat, der fähig und willens ist, Würde und Leben der Menschen zu schützen, die in ihm leben. Wenn unsere Demokratie Bestand haben soll, muss sie auch wehrhaft sein. Sie darf sich das Gewaltmonopol niemals aus der Hand nehmen lassen.“

Monika Deutz-Schroeder / Rita Quasten / Klaus Schroeder / Dagmar Schulze Heuling
Ungleiche Schwestern? Demokratie und Diktatur im Urteil von Jugendlichen
Aus Politik und Zeitgeschichte 32-34/2012

Die Autor*innen erläutern ihre Studie „Später Sieg der Diktaturen?“ Diese belege, dass das zeitgeschichtliche Wissen von Jugendlichen in Ost- wie Westdeutschland häufig recht gering sei. „Durchschnittlich am meisten wissen die Befragten über den Nationalsozialismus; über die DDR und die Bundesrepublik vor und nach der Wiedervereinigung wissen sie deutlich weniger. Dieser Befund ist deshalb so problematisch, weil mit einem geringen zeitgeschichtlichen Wissen nach den Maßstäben der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unangemessene Urteile einhergehen. Auch dies hat die Studie gezeigt. Daraus aber auf eine grundsätzliche Diktaturaffinität der Jugendlichen oder ihre Distanz zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheitsrechten zu schließen, wäre falsch. Im Gegenteil erbrachte unsere Befragung, dass die meisten Schülerinnen und Schüler freiheitliche Systeme sehr schätzen. Viele von ihnen sind jedoch nicht in der Lage, Einschränkungen oder Bedrohungen dieser Freiheit in der (historischen) Realität zu erkennen. Damit einher geht das Phänomen, dass für viele die Trennlinien zwischen Demokratie und Diktatur verschwimmen.“ (aus dem Fazit)

Christoph Kleßmann
„Deutschland einig Vaterland“? Politische und gesellschaftliche Verwerfungen im Prozess der deutschen Vereinigung
Zeithistorische Forschungen, Heft 1/2009

Christoph Kleßmann rekapituliert den deutschen Einheitsprozess, der nicht zwangsläufig alternativlos gewesen sei, aber insgesamt eine große Leistung darstelle. Bemerkenswert sei bis in die Gegenwart ein ostdeutsches Sonderbewusstsein, das sich aus einem zeitlichen Zusammenfall von Einheit und Globalisierung erklären lasse. Für den Zeitpunkt der Veröffentlichung konstatiert der Historiker einen heftigen „Groll bei den tatsächlichen und vermeintlichen Verlierern. Er grummelt unter der Oberfläche, wagt sich aber kaum an die Öffentlichkeit.“


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Anmerkung: Dieser Text wurde urpsrünglich von Natalie Wohlleben verfasst und wird seit Februar 2019 weiter von der Redaktion bearbeitet.

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Essay

Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in Ostdeutschland. Entstehung und Entwicklung

Die AfD hat, wie die Bundestagswahl gezeigt hat, ihre Hochburgen im Osten Deutschlands, zu beobachten ist dort auch eine aktive rechtsextreme Szene. Für diese im Vergleich zum Westen deutlich ausgeprägteren Phänomene sind zwei miteinander verknüpfte Dimensionen verantwortlich, schreibt Klaus Schroeder: die Nachwirkungen unterschiedlicher politischer Sozialisationen sowie die durch die Wiedervereinigung entstandenen sozialen Umbruchprozesse. Zudem sind Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus auch in der DDR weit verbreitet gewesen, wie seit der Öffnung der Archive nachzulesen ist.

DDR Grenzbergang Peter H PixabayDie DDR verhinderte nicht nur bis kurz vor ihrem Untergang die freie Ausreise ihrer Bürger, sondern reglementierte auch die Einreise strikt. Zuwanderung hat der Teilstaat kaum erfahren und so konnte das Zusammenleben mit Menschen anderer Herkunft nicht Teil der Alltagskultur werden. Die wenigen Vertragsarbeiter etwa aus Vietnam oder Angola wurden diskriminiert. Foto: Ehemaliger DDR-Grenzübergang Marienborn. Foto: Peter H (Pixabay)weiterlesen

 


Sammelrezension

Wenn Ängste zu Politik werden. Rechtspopulismus in Deutschland: AfD und Pegida

Dirk Burmester stellt zwei Bücher über den Rechtspopulismus in Deutschland vor, die aus gänzlich verschiedener Perspektive geschrieben sind: Nach einer historischen Rückschau befasst sich der Rechtsextremismusforscher Hajo Funke aus kritischer Distanz mit den Ausprägungen von AfD-Landesverbänden und Pegida-Gruppen, außerdem analysiert er die Neuen Rechten und den Kampf gegen Rechtsextremismus allgemein. Der Journalist Stephan Hebel hingegen versucht, in Briefform potenzielle AfD-Wähler umzustimmen.
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Aus der Annotierten Bibliografie

Annäherung an ein Phänomen. Gesellschaftlicher Wandel und Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern

Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und rechte Gewalt sind keineswegs rein ostdeutsche Phänomene. Trotzdem ist festzustellen, dass gegenwärtig politische Strömungen weit rechts der Mitte in den neuen Bundesländern auf eine deutliche Resonanz stoßen – bei der Bundestagswahl im September 2017 wurde die AfD in Sachsen mit 27 Prozent gar stärkste Partei. Tickt der Osten also anders? In der Literatur, die hiermit in ausgewählten Kurzrezensionen vorgestellt wird, wird dieser Frage im Spannungsverhältnis von Systemwandel, tradierten Einstellungen und aktuellen Einflüssen nachgegangen.

Bundesarchiv Bild 183 09709 0003 Dresden Ankunft eines indischen GaststudentenSeltene Begegnung mit dem Fremden: Im Februar 1951 traf in Dresden ein indischer Student ein, der an der TU sein Studium fortsetzen wollte. Begrüßt wurde er von Jungen Pionieren und FDJ-lern. Die Herzlichkeit des Empfangs deckte sich nicht mit den Alltagserfahrungen, die viele Ausländer mit den DDR-Bürgern machten. Quelle: Bundesarchiv, Fotograf unbekannt.weiterlesen

 


 

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