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Tilman Nagel

Angst vor Allah? Auseinandersetzungen mit dem Islam

Berlin: Duncker & Humblot 2014; 422 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-428-14373-3
Tilman Nagel, emeritierter Professor für Arabistik und Islamwissenschaft an der Universität Göttingen, spricht über den Islam als eine „politisch‑religiöse Heilslehre, deren Vordenker eine Grundfähigkeit der deutschen, ja der europäischen Kultur vermissen lassen, nämlich die Fähigkeit zur kritischen Selbstprüfung“ (8). Das europäische Denken sei selbstreflexiv, der Islam aber gehe von einer Position des Rechthabenden aus. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts laute ein daraus abgeleiteter Kernsatz, der ein Stützpfeiler einer Ideologie geworden sei, wie folgt: „Der Islam ist die Lösung.“ (113) Nagel betont, dass die Wortführer der Muslime auf die Mannigfaltigkeit und die Geschichtlichkeit des Islams achten müssten. Er erinnert daran, dass der praktizierte Glaube und die Machtausübung „im Islam nun einmal ein unzerteilbares Ganzes“ (257) seien. Die Verquickung von Religion und Staat kenne „keine Aufspaltung der Machtausübung in inhaltlich getrennte Bereiche“ (158). Dabei gehe man bei dieser Form der Machtausübung von der „besten Gemeinschaft“ (259) aus. Nagel zeigt, dass manche Muslime mit ihren Maximalforderungen Probleme auch in der deutschen Mehrheitsgesellschaft schaffen. Er geht auf die Diskussion über Islamophobie ein und bezeichnet diesen Begriff als einen „Kampfbegriff“ (329). Nagel pocht zu Recht auf die Werte eines freien, pluralistischen Gemeinwesens und stellt fest, dass er hinnehmen müsse, dass „das Christentum oder die säkulare Staats‑ und Gesellschaftsordnung in islamischen Publikationen grob verzeichnet oder geschmäht werden“. Er kritisiert, dass das religiös‑politisches System des Islams, das bedingungslose und kritiklose Unterwerfung fordere, für „unantastbar erklärt werden soll“ (331). Einen solchen Schutz vor Kritik hätten noch nicht einmal die Marxisten‑Leninisten gefordert. Dieser Sammelband sollte eine Pflichtlektüre werden für alle Mitarbeiter_innen interkultureller Vereine, für Lehrende und Sozialarbeiter_innen, für Politiker_innen, die über Integration und Islam reden, damit das reflexive Potenzial der Gesellschaft in der Auseinandersetzung mit steigenden interkulturellen Problemen gestärkt wird. Nagel wendet sich mit diesem Band, der einige seiner Aufsätze und Vorträge enthält, an deutsche Leser_innen, die sich um die Demokratie in Deutschland sorgen. Gleichzeitig will er die säkularen Muslime ansprechen, die Argumente für ihre Auseinandersetzung mit Anhängern des politischen Islams benötigen.
{WWH}
Rubrizierung: 2.232.354.42 Empfohlene Zitierweise: Wahied Wahdat-Hagh, Rezension zu: Tilman Nagel: Angst vor Allah? Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38252-angst-vor-allah_46655, veröffentlicht am 02.04.2015. Buch-Nr.: 46655 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken