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Sabine Schiffer / Constantin Wagner

Antisemitismus und Islamophobie. Ein Vergleich

Wassertrüdingen: HWK Verlag 2009; 260 S.; 24,80 €; ISBN 978-3-937245-05-8
Schiffer und Wagner versuchen, Erkenntnisse der Antisemitismusforschung für die Analyse von Feindseligkeiten gegen Muslime fruchtbar zu machen. Sie widmen sich zunächst knapp dem Antisemitismus. Weithin parallel im Aufbau, skizzieren sie dann, was sie für Ausdrucksformen von Islamfeindlichkeit halten. Unter Verzicht auf eine methodisch kontrollierte, reflektierte Empirie werden unterschiedlichste soziale Phänomene, öffentliche und halböffentliche Stellungnahmen, die sich auf sehr heterogene Sachverhalte beziehen, gesammelt und als Symptome eines geschlossenen Vorurteilsgebäudes gefasst, für das ein einheitlicher Arbeitsbegriff verweigert wird: „Wichtiger als die Begrifflichkeiten ist deren Inhalt, denn die Existenz eines antiislamischen Ressentiments wird vielfach geleugnet“ (81). Aus diesem breiten, unsystematisch collagierten Fundus von Aussagen wird ein islamophobisches Weltbild konstruiert, welches dem Antisemitismus in vielerlei Hinsicht (etwa als Weltverschwörungstheorie) gleiche. Typisch sind die Abschnitte „Beweisführung durch Quellenrecherche“: Werden beim Antisemitismus böswillige Fälschungen und Erfindungen angeführt, so sind im Abschnitt zur Islamophobie auch Aussagen untergemischt, die eine ernsthafte, wenn auch kontroverse Auseinandersetzung mit dem Islam dokumentieren. Unter dem Strich stehen offensichtliche Lügen über jüdische Kindesmörder und Brunnenvergifter auf einer Stufe mit realen Verbrechen von islamischen Regimen oder nicht-staatlichen Gruppierungen, die zwar nicht Pars pro Toto für den Islam stehen mögen, zu deren Rechtfertigung er aber doch unbestreitbar in Anspruch genommen wird. Will man den Antisemitismus mit anderen gruppenbezogenen Feindseligkeiten vergleichen, so wäre zunächst das jeweils Besondere schärfer herauszustellen. Bevor wir ein klareres Bild über Geschichte, Ausmaß und Erscheinungsformen jenes Komplexes haben, der als „Islamophobie“ bezeichnet wird, bleibt der Vergleich riskant und kann leicht in die Irre führen. Wird er dennoch gewagt, so ist höchste methodische Sorgsamkeit nötig. Diese lassen Schiffer und Wagner leider vermissen.
Gideon Botsch (GB)
Dr., Dipl. Pol., wiss. Mitarbeiter, Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien Potsdam (http://www.mmz-potsdam.de).
Rubrizierung: 2.35 | 2.31 | 2.312 Empfohlene Zitierweise: Gideon Botsch, Rezension zu: Sabine Schiffer / Constantin Wagner: Antisemitismus und Islamophobie. Wassertrüdingen: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32035-antisemitismus-und-islamophobie_38210, veröffentlicht am 04.05.2010. Buch-Nr.: 38210 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken