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Markus Breitscheidel

Arm durch Arbeit. Ein Undercover-Bericht

Berlin: Econ 2008; 219 S.; kart., 18,- €; ISBN 978-3-430-30027-8
Der Autor lebte im Selbstexperiment eineinhalb Jahre am Existenzminimum von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und Mini-Löhnen. Als Leiharbeiter verdingte er sich getarnt bei bekannten Konzernen sowie in der Landwirtschaft. Breitscheidel musste jedoch feststellen, dass der Verdienst trotz Vollzeitarbeit nicht zum Leben ausreichte und es zusätzlich nötig wurde, staatliche Unterstützung zu beantragen. Zuvorderst kritisiert der Autor, dass die vom Gesetzgeber gewährten Freibeträge für die Altersvorsorge viel zu gering sind. Dies führe unter Umständen dazu, dass man im Alter zusätzlich auf Zahlungen aus den sozialen Kassen angewiesen ist, was einer paradoxen Zirkellogik entspreche. Die im Arbeitslosengeld II zugestandenen 132,71 Euro für Nahrungsmittel und Getränke reichen in Breitscheidels Selbstversuch gerade für zwanzig Tage. Somit muss er die Pauschale für den ÖPNV von 19,20 Euro ebenfalls in Lebensmittel investieren. Derart setzt sich das Experiment fort, sodass überdeutlich wird, wie knapp bemessen die Sätze tatsächlich sind und der Autor resümiert, „dass sich der monatliche Regelsatz um mehr als 200 Euro erhöhen muss“ (31). Ähnlich dramatisch erweist sich die Lage der Dinge im Selbstversuch als Leiharbeiter. Ob als Leiharbeiter bei Bayer oder Opel, die Arbeitsperspektiven sind praktisch nicht vorhanden, der Lohn im ersten Unternehmen beläuft sich auf netto 529 Euro, sodass trotz Vollzeitarbeit eine staatliche Unterstützung zur Existenzsicherung notwendig wird. Dies bezeichnet Breitscheidel als „Einführung des verdeckten Kombilohns“ (148) und rechnet vor, wie sich dies in eklatanter Weise auf die Kranken- und Rentenkassen auswirkt. Abschließend hält der Autor fest, dass die Maßnahmen der Agenda 2010 eher kontraproduktiv seien, was man unter anderem an der Ausweitung des Niedriglohnsektors sehen könne. Wenn der Autor jedoch aus Empörung beispielsweise vom „Übergewicht des Inhabers“ (13) eines Geschäfts auf dessen ökonomischen Erfolg schließt, schadet er mit derart absurden Kausalitäten leider seiner eigenen Argumentation.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.342 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Markus Breitscheidel: Arm durch Arbeit. Berlin: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30239-arm-durch-arbeit_35882, veröffentlicht am 03.03.2009. Buch-Nr.: 35882 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken