Rechtswiss. Diss. Frankfurt a. M; Gutachter: M. Stolleis, G. Frankenberg. – Interkulturelle Ideentransfers erfolgen häufig auf verschlungenen Wegen. Lei stellt einen solchen Transferpfad vor. Liang Qichao gehörte zu den einflussreichsten Reformern der späten Qing-Dynastie. Recht früh gelangte er zur Überzeugung, dass die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme Chinas im 19. Jahrhundert nur mithilfe westlichen politischen Denkens zu bewältigen waren. Da er selbst nie eine westliche Sprache lernte, bemühte er sich um die Einrichtung von Übersetzungsbüros, mit deren Hilfe er sich eine Vielzahl von Klassikern der politischen Ideengeschichte erschloss. Aber erst im japanischen Exil sollte ihm eine japanische Übersetzung der Werke des aus der Schweiz stammenden und in Deutschland lehrenden Juristen Johann Caspar Bluntschli in die Hände fallen und sein politisches Denken nachhaltig beeinflussen. Lei zeigt auf, wie Liang einerseits versucht, Denkstrukturen und Argumentationsmuster von Bluntschli für traditionelle chinesische Ideen anschlussfähig zu machen, andererseits diese aber auch benutzt, um (in seinen Augen) dringende Reformen voranzutreiben. Die wichtigste Innovation – so Lei – habe dabei in der nachhaltigen Zerstörung der traditionellen Herrschaftslegitimation qua Mandat des Himmels bestanden, die Liang durch eine demokratische Legitimation ersetzen wollte. Dabei diente Bluntschlis Staatstheorie als Ideengeber und Katalysator, wobei immer zu beachten sei, wie Lei betont, dass die Rezeption viel stärker von Überlegungen zur politischen Nützlichkeit als von der Suche nach Authentizität geprägt war.