Skip to main content
Marxistische Abendschule Hamburg (Hrsg.)

Aufhebung des Kapitalismus. Die Ökonomie einer Übergangsgesellschaft

Hamburg: Argument 2015; 279 S.; 19,- €; ISBN 978-3-86754-319-4
Kann die marxistische Theorie zur kritischen Reflexion, gar zur Lösung der durch den Gegenwartskapitalismus hervorgerufenen ökonomischen Verwerfungen beitragen? Den Beiträgen dieses Bandes zufolge lautet die Antwort eindeutig ja, denn, so formulieren es Heinrich Harbach und Tobias Reichardt in der Einleitung: „Noch sechs Jahre nach dem Ausbruch der [Weltwirtschafts‑, Finanz‑ und Staatsschulden‑]Krise ist ihr Ende nicht in Sicht: Rezession, Arbeitslosigkeit, Deflationsgefahr prägen viele Länder Europas sowie die USA und Japan und ziehen auch den Rest der Welt in Mitleidenschaft.“ (6) Was also tun angesichts dieser durchaus zutreffenden Diagnose? Nach Harbach und Reichardt ist eine von „selbstbestimmten Menschen bewusst gestaltete und damit auch makroökonomisch geplante Gesellschaft“ (9) die Lösung. Die detaillierte Ausgestaltung dieses planwirtschaftlich‑sozialistischen Ansatzes ist gemeinsamer Fluchtpunkt der versammelten Aufsätze, die in drei Blöcken eine kritische Retrospektive auf bereits gewesene oder gescheiterte Versuche sozialistischer Reform, auf deren theoretische Grundlagen und auf künftige politische Gestaltungsoptionen bieten. Während der leidige Blick zurück im Zorn auf den chinesischen Sozialismus sowie eine erneute Evaluation der sozialen Marktwirtschaft kaum innovatives Potenzial versprechen, ist das bei den politisch‑praktischen Ansätzen anders. So fragt etwa Stefan Meretz nach den Möglichkeiten des „Aufbaus einer neuen Produktionsweise jenseits der Warenform“ (261). Dabei kommt er unter anderem zu dem Schluss, dass eine Kritik der Warenproduktion zu einer „commonistischen Vergesellschaftung“ (270) führen müsse, die sich dadurch auszeichne, dass sie den selbstbewussten Menschen in seinen vielfältigen Beziehungen zum Organisator einer polyzentrischen Welt mache. Auch Richard Detje geht in seinem Beitrag in eine ähnliche Richtung, wenn er eine „Wirtschaftsdemokratie“ (230) entwirft, in der ein klassisch sozialdemokratisches Topos wieder auflebt: „Kern von Wirtschaftsdemokratie in dem hier diskutierten Verständnis ist die Erlangung eines steuernden, lenkenden und kontrollierenden Einflusses auf die Investitions‑, Beschäftigungs‑ und Arbeitspolitik der [...] Akkumulationsregime.“ (234) Ob sich diese Rückgewinnung von Kontrolle – zu diskutieren wäre hier etwa die Rolle der Gewerkschaften – realisieren lässt, bleibt heute offen. Allein schon Alternativen zum Bestehenden entworfen zu haben, ist zweifelsohne ein Verdienst des Bandes.
{LEM}
Rubrizierung: 2.222.682.25 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Marxistische Abendschule Hamburg (Hrsg.): Aufhebung des Kapitalismus. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39236-aufhebung-des-kapitalismus_47761, veröffentlicht am 07.01.2016. Buch-Nr.: 47761 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken