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Pankaj Mishra

Aus den Ruinen des Empires. Die Revolte gegen den Westen und der Wiederaufstieg Asiens. Aus dem Englischen von Michael Bischoff

Frankfurt a. M.: S. Fischer 2013 (Geschichte); 441 S.; 26,99 €; ISBN 978-3-10-048838-1
Taucht man zunächst durchaus fasziniert in arabische und fernöstliche Gedankenwelten, stellt sich doch im Verlauf der Lektüre erst Ernüchterung und dann Enttäuschung ein. Dem indischen Essayisten Pankaj Mishra gelingt es zwar, die Genese der von Konflikten geprägten Beziehungen weiter Teile Asiens zum Westen anschaulich zu erzählen. Die Zuschreibungen, wer dabei die Guten und die Bösen sind, vereinfachen sich aber so sehr, dass man sich schließlich fragt, welchen Maßstäben Mishra überhaupt folgt – und warum das Potenzial der liberalen Demokratie zur Durchsetzung von Menschenrechten bei seinen Urteilen keine Rolle spielt. Besonders auffällig ist dieser blinde Fleck auch, weil mit keiner Silbe die Rolle der Frau in den traditionellen Gesellschaften erwähnt, geschweige denn deren Unterdrückung kritisch reflektiert wird. Das schließlich unterschiedslose Nebeneinanderstellen der demokratischen Welt und der andauernden kommunistischen Diktatur in China (wobei Mishra deren Opfer nicht unerwähnt lässt) nimmt dem Buch jeglichen aufklärerischen Impetus; der Blick auf Verbindendes in einer globalisierten Welt wird geradezu verstellt. Das ist bedauerlich, eröffnet doch Mishras historische Erzählung tiefe Einblicke in die unvertretbare (hier vor allem: britische) Kolonialpolitik, die in der arabischen Welt ebenso wie in China als tiefe Demütigung wahrgenommen worden war. Aus allein wirtschaftlicher Profitgier, so das zentrale Argument, seien die vielfältigen Gesellschaften und Formen des Wirtschaftens in Asien zerstört worden. Die Antworten, die darauf gesucht wurden und werden und die sich bis heute zwischen den Polen einer Orientierung am modernen Denken und dessen strikter Ablehnung bewegen, zeichnet Mishra entlang der Leben von Jamal al‑Din al Afghani und Liang Qichaos nach. Al‑Afghani zeigt sich als der religiös biegsame Erfinder des politischen Islams, Liang als ein Vordenker einer chinesischen Moderne, die im Konfuzianismus wurzelt. Ein weiteres Kapitel ist mit Rabindranath Tagore, dem bengalischen Dichter und Literatur‑Nobelpreisträger, einer weiteren Denkströmung gewidmet. Als zentralen Dreh‑ und Angelpunkt, an dem die Neubestimmung des Verhältnisses von westlicher und östlicher Welt verpasst worden ist, macht Mishra die Pariser Friedenskonferenz von 1919 aus, auf der den kolonialisierten Völkern das Selbstbestimmungsrecht verweigert blieb. So nachvollziehbar seine Darstellung der westlichen Verfehlungen auch ist, mangelt es doch an einer kritischen Auseinandersetzung mit der inneren Verfasstheit der von Mishra für ihren Widerstandsgeist gelobten Länder – es müsste eine Auseinandersetzung sein, die über sein Bauchgefühl hinausgeht.
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Rubrizierung: 4.12.632.682.612.642.22.222.23 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Pankaj Mishra: Aus den Ruinen des Empires. Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37877-aus-den-ruinen-des-empires_44753, veröffentlicht am 11.12.2014. Buch-Nr.: 44753 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken