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Gregor Gysi

Ausstieg links? Eine Bilanz. Nachgefragt und aufgezeichnet von Stephan Hebel

Frankfurt a. M.: Westend Verlag 2015; 219 S.; 16,99 €; ISBN 978-3-86489-116-8
„Wir stehen vor folgender Alternative: Wir können versuchen, eine moderne linke Partei zu werden, ohne jede kleinbürgerliche Kultur und Struktur. Dann können wir für diese Leute nichts tun. […] Oder wir kümmern uns um sie, dann bekommen wir aber auch eine kleinbürgerliche Kultur und Struktur. Selbst wenn wir sie nicht wollen, kriegen wir sie.“ (32) – Nichts weniger als die Herstellung „europäischer Normalität“ (16) durch die Schaffung einer bundesweiten Partei links von der Sozialdemokratie war eines der großen politischen Ziele Gregor Gysis. In einem langen Interview erklärt er jetzt die Grundlinien seines politischen Werdegangs, angefangen vom „antifaschistischen Identitätskern“ (11) seines Elternhauses über die Tätigkeit als Verteidiger in mitunter politischen Prozessen in der DDR bis zur Abgabe des Fraktionsvorsitzes 2015. Die offene Form des Gesprächs ermöglicht dabei einen ganz besonderen Einblick in die Zwangslagen und Entscheidungsdilemmata, vor denen die Linkspartei und ihre Vorgängerinnen seit jeher standen und wo sie heute noch steht. So kommt beispielsweise Gysis in der Partei nicht unumstrittener Hang zum „linken Populismus“ (54) zur Sprache. Besonders erhellend ist die Teilnehmerperspektive zum Zusammenbruch der DDR: Gysi erzählt, wie er über den Umweg seiner Tätigkeit als Anwalt in die Politik rutschte und wie seine Politik dadurch geprägt wurde. Aber auch über aktuelle interne Streitigkeiten, in denen sich Gysis Positionen teils erheblich von denen des linken Flügels der Partei abheben, werden beleuchtet. Der jüngeren Linken fehle oftmals die Erfahrung eines wirklich autoritären politischen Umfelds: „Es darf nie wieder eine politische Ausgrenzung geben“ (66). Auch das Bedürfnis nach Weltanschauung müsse immer mit Vorsicht angegangen werden: „Die Linke [ist] ideologischer als andere Parteien“ (51). Der Band enthält zudem einige Auszüge aus den wichtigsten politischen Reden Gysis, was auch einer noch ausstehenden wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte der Linkspartei als Vorarbeit besonders entgegenkommt.
{FG}
Rubrizierung: 2.32.3312.3142.315 Empfohlene Zitierweise: Florian Geisler, Rezension zu: Gregor Gysi: Ausstieg links? Frankfurt a. M.: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39447-ausstieg-links_47813, veröffentlicht am 25.02.2016. Buch-Nr.: 47813 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken