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Thomas Richter

Autoritäre Herrschaft, materielle Ressourcen und Außenwirtschaftsreformen. Marokko, Tunesien, Ägypten und Jordanien im Vergleich

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011 (Politik und Gesellschaft des Nahen Ostens); 385 S.; 39,95 €; ISBN 978-3-531-17338-2
Diss. Bremen; Begutachtung: D. Senghaas, M. Beck. – In einigen jüngeren Veröffentlichungen wird eine kausale Verbindung zwischen der Abnahme außenwirtschaftlicher Regulationen von Staaten und der dritten Demokratisierungswelle hergestellt. Demnach neigen autoritäre Länder eher dazu, infolge von ökonomischen Krisen den Aufbau von Außenwirtschaftsbarrieren voranzutreiben. Allerdings kann durch diese jüngeren Forschungen nicht erklärt werden, weshalb auch einige nicht-demokratisierte Staaten massiv außenwirtschaftliche Restriktionen abbauen. Genau an dieser aus theoretisch bisher nicht erklärten Tatsache setzt Richter an und will jenseits von normativ aufgeladenen demokratietheoretischen Implikationen die tatsächlichen Motive für außenwirtschaftliche Reformen in autoritären Staaten eruieren. Hierfür analysiert er die arabischen Rentierstaaten Marokko, Tunesien, Ägypten und Jordanien historisch vergleichend über mehr als drei Dekaden (1970 bis 2003). Zunächst konstatiert Richter, dass sich in den drei Regulierungsdimensionen Handel, Zahlungsverkehr und Wechselkurs Tunesien und Marokko erheblich mehr ähneln als die beiden Republiken und Monarchien untereinander. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Außenwirtschaftsreformen (relativ) unabhängig vom politischen System gedacht werden sollten. Bei einer genauen Betrachtung aber zeigt sich, dass sich der Auf- und Abbau restriktiver Regulierungen im Zeitverlauf sehr unterschiedlich gestaltet – eine Tatsache, die nicht von derzeitig benutzten außenwirtschaftlichen Messverfahren eingefangen wird. Um bis zu den Motiven für die teils sehr unterschiedliche Außenwirtschaftsentwicklung vorzudringen, unterzieht Richter v. a. Dokumente des IWF einer Inhaltsanalyse. Über diese Methode kann er sehr viel tiefer und umfassender die Gründe herausarbeiten als es mit quantitativen Analysen möglich ist. Richter stellt mit seinem innovativen Methodenmix fest, dass es fast ausschließlich monetäre makroökonomische beziehungsweise fiskalische Größen waren (inländisches Preisniveau, Zahlungsbilanzgleichgewicht, Devisenreserven der Zentralbank und die Höhe der Staatseinnahmen), die den intentionalen Hintergrund für den Auf- und Abbau außenwirtschaftlicher Restriktionen in den vier arabischen Staaten bilden. In Bezug auf den Mehrwert der Arbeit stellt Martin Beck im Vorwort zu Recht fest, dass dieser weniger in einem neuen empirischen Befund zu suchen ist. Vielmehr „gelingt Thomas Richter eine theoretisch und methodisch sehr viel genauere und damit ungleich überzeugendere Begründung. Ein zentrales Verdienst des Autors besteht insbesondere darin, die wirtschafts- und politikwissenschaftliche Theoriebildung durch Fallanalysen des Nahen Ostens zu befruchten“ (20).
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.1 | 2.67 | 2.63 | 2.25 | 4.22 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Thomas Richter: Autoritäre Herrschaft, materielle Ressourcen und Außenwirtschaftsreformen. Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21629-autoritaere-herrschaft-materielle-ressourcen-und-aussenwirtschaftsreformen_38876, veröffentlicht am 12.07.2012. Buch-Nr.: 38876 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken