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Michael Melcher

Awkwardness and Reliability. Die britische Europapolitik von 1997 bis 2013

Marburg: Tectum Verlag 2014 (Wissenschaftliche Beiträge aus dem Tectum Verlag: Politikwissenschaften 61); XVIII, 433 S.; 34,95 €; ISBN 978-3-8288-3472-9
Diss. Würzburg; Begutachtung: G. Müller‑Brandeck‑Bocquet, S. Schmahl. – Seit Anbeginn der Mitgliedschaft Großbritanniens im Jahr 1973 habe sich die Perzeption eines Partners manifestiert, der sich durch eine „‚reliable Awkwardness‘, eine verlässliche Unbequemlichkeit“ (1), auszeichne, schreibt Michael Melcher. Dieses widersprüchlich erscheinende Verhalten analysiert der Autor mithilfe von „Kontext‑Spezifischen‑Rollenelementen“ (17) zunächst im Zeitraum zwischen 1961 und 1997 und gelangt zu dem Ergebnis, dass der Europapolitik Großbritanniens „eine andere Grundkonzeption“ (155) innewohnt als der anderer integrationskritischer Staaten, wie etwa Norwegen oder der Schweiz. Ob sich das nach dem Antritt der New‑Labour‑Regierung 1997 und in der Phase bis 2010 änderte, bildet die Kernfrage Melchers. Tony Blair betonte vor der Wahl, dass Großbritannien endlich eine neue Positionierung gegenüber und vor allem in Europa anstreben müsse. So zeigte sich das Land bei den Verträgen von Amsterdam und Nizza in der Diskussion über nationale Souveränitätsabgaben verhandlungsbereit und verdeutlichte mehrfach sein Interesse an verstärkter europäischer Kooperation, sah aber eindeutig weiterhin den Nationalstaat im Zentrum des Prozesses. Diese „vom Pragmatismus geprägte Politik wich insofern von derjenigen vorheriger Regierungen ab, als [...] Blair den Fragen der Finalitätsdebatte sowie der Weiterentwicklung und Reform der Institutionen deutlich offener gegenüberstand als seine Vorgänger“. Zwischen der Rhetorik Blairs und der Politikumsetzung klaffte indes eine Lücke, wie am Beispiel der Wirtschafts‑ und Währungsunion sichtbar wurde. Zwar war der Beitritt zur Gemeinschaftswährung eine Option, doch tatsächlich unterschied sich Blairs Politik im Ergebnis „nicht von der ‚wait and see‘‑Politik Majors“ (208). Insgesamt, so Melcher, war Großbritannien anders als unter der konservativen Regierung während der 1990er‑Jahre „weder isoliert noch mit dem Stigma des integrationshemmenden und antieuropäischen Partners behaftet“. Die Europapolitik der konservativ‑liberalen Koalition seit 2010 ist hingegen „von einem ausgeprägten Europaskeptizismus bestimmt“ (362). Abschließend fragt der Autor: „‚Brexit or Brinfluence‘“ (364)? Einen tragfähigen Status für Großbritannien innerhalb der EU zu finden, empfiehlt er und schreibt weiter: Entscheidend sei, „ob Großbritannien den unbedingten Willen aufbringt, als zwar weiterhin verlässlich unbequemer, jedoch mit konstruktiven Absichten verhandelnder Partner aufzutreten, der neben der Durchsetzung seiner Interessen auch gewillt ist, die red lines der anderen EU‑Partner anzuerkennen“ (369).
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Rubrizierung: 3.73.14.222.612.22 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Michael Melcher: Awkwardness and Reliability. Marburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39471-awkwardness-and-reliability_47258, veröffentlicht am 03.03.2016. Buch-Nr.: 47258 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken