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Keith R. Allen

Befragung – Überprüfung – Kontrolle. Die Aufnahme von DDR-Flüchtlingen in West-Berlin bis 1961

Berlin: Ch. Links Verlag 2013 (Beiträge zur Geschichte von Mauer und Flucht); 238 S.; hardc., 29,90 €; ISBN 978-3-86153-722-9
Bis 1961 flohen etwa drei Millionen Menschen aus der SBZ/DDR in den von westlichen Alliierten besetzten Teil Deutschlands bzw. in die Bundesrepublik und nach West‑Berlin. Durch das nach der Ankunft beginnende und seit 1950 gesetzlich geregelte Aufnahmeverfahren sollte mittels Befragungen festgestellt werden, ob der oder die Betreffende tatsächlich aus politischen Gründen geflohen war. Keith R. Allen macht es sich zur Aufgabe, diesen bisher kaum beachteten Aspekt aufzuarbeiten. Er fragt, „wie der unüberschaubare Parcours politischer Befragungen zustande kam und welche Akteure mitwirkten“ (16). Durch seine Aktensichtung legt er bisher wenig bekannte Verflechtungen zwischen westlichen Geheimdiensten und Besatzungsmächten mit der Politik West‑Berlins frei. Ausgangspunkt seiner Arbeit ist die Tatsache, dass sowohl die Befragung als auch die Prüfung der Glaubwürdigkeit der Flüchtlinge auch von einer Vielzahl nichtstaatlicher Organisationen durchgeführt wurden, vorrangig und in Abstimmung mit der Senatsverwaltung von der Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit e. V. (KgU) und dem Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen e. V. (UFJ). Auf diese konzentriert Allen seine weitere Untersuchung. Trotz der noch immer schwierigen Aktenlage fördert er in seiner Studie zutage, dass die KgU mit ihrem „quasi amtliche[n], rechtlich gesehen aber unabhängige[n] Status“ (70) zum einem ein wichtiger Partner unter anderem der westlichen Geheimdienste und des Landesamtes für Verfassungsschutz wurde und sie mit ihren Einschätzungen versorgte. Zum anderen kann Allen belegen, dass die KgU nicht nur ihrer eigentlichen Aufgabe nachkam, sondern „ihre Gespräche mit Flüchtlingen immer wieder dazu nutzte, sie zu subversiven Aktivitäten in der DDR anzustiften“ (101). Zu diesem Zwecke arbeitete sie eng mit der US‑amerikanischen Besatzungsmacht zusammen und wurde von der Military Intelligence Division (MID), dem Office of Policy Coordination (OPC, ging 1952 in der CIA auf) und der Ford‑Stiftung finanziell unterstützt. Beim UFJ handelte es sich sogar um eine direkt von der CIA geschaffene Organisation, dessen Leiter eine Scheinidentität erhielt und „über ‚volle operationale Befugnisse‘ der CIA“ (129) verfügte. Allen präsentiert diese Erkenntnisse in einer insgesamt gut geschriebenen, akribisch gearbeiteten und spannenden Untersuchung.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.313 | 2.314 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Keith R. Allen: Befragung – Überprüfung – Kontrolle. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36122-befragung--ueberpruefung--kontrolle_43989, veröffentlicht am 29.08.2013. Buch-Nr.: 43989 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken