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Christian Wehrschütz

Brennpunkt Balkan. Blutige Vergangenheit. Ungewisse Zukunft

Wien/Graz/Klagenfurt: Styria Premium 2013; 238 S.; 24,99 €; ISBN 978-3-222-13427-2
Auch hundert Jahre nach den Balkankriegen und dem Ersten Weltkrieg ist die Region im Südosten Europas ein Krisenherd: Das Misstrauen zwischen den Staaten bleibt groß und der Nationalismus ist vor allem in Serbien und Kroatien nach wie vor präsent. Die Frage, wie das Miteinander in der Region dennoch friedlich zu gestalten ist, bleibt auch für die Europäische Union eine der größten Herausforderungen, denn trotz der EU‑Mitgliedschaft Kroatiens und Sloweniens ist die Situation instabil geblieben. Schafft es die EU langfristig, diese schwelenden Konflikte dauerhaft zu befrieden? Christian Wehrschütz, langjähriger Leiter des ORF‑Studios Belgrad, erläutert vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen Frage die komplexe Geschichte und gegenwärtige Situation in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens. Außerdem wird anhand von Fallbeispielen die gesellschaftlich‑wirtschaftliche Lage in den jeweiligen Staaten dargestellt. Die Berichte sind hier weit gestreut: Der Beitrag über albanisch‑serbische Eheschließungen zeigt, dass Versöhnung möglich ist. Das schwierige Verhältnis zwischen dem Kosovo und Serbien wird ebenfalls thematisiert – von dessen Normalisierung hängen die Beitrittsgespräche zwischen der EU und Serbien ab. Immerhin gibt es Verhandlungen zwischen beiden Staaten, auch wenn Serbien beteuert, das Kosovo nicht anzuerkennen. Auch die Rolle des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien wird in den Ländern zwiespältig gesehen. Das Tribunal habe kaum Ansehen auf dem Balkan, wie sich mit der Verurteilung des Kroaten Ante Gotovina zunächst zu 24 Jahren und in zweiter Instanz zum Freispruch gezeigt habe. Deutlich wird auch, dass der Beitritt zur EU kein Allheilmittel darstellt. In Kroatien löste er zwar den notwendigen Modernisierungsschub aus, jedoch tut sich die Wirtschaft nach wie vor schwer mit der Umsetzung der EU‑Standards, die zunächst hohe Kosten mit sich bringen. Daneben führte der Beitritt zur EU zum Austritt aus dem bisherigen Freihandelsabkommen CEFTA (Central European Free Trade Agreement/Mitteleuropäisches Freihandelsabkommen), sodass neue Zollgrenzen zu den übrigen Balkanstaaten entstanden. Größtes Problem der Region bleibt – neben den Narben des Krieges und nationalistischer Tendenzen – die Stabilisierung Bosnien‑Herzegowinas. Es ist ein fast unregierbares Staatengebilde, in dem drei unterschiedliche Regierungen für drei nationale Ethnien nicht zusammen, sondern gegeneinander agieren. Das detailliert geschriebene Buch erlaubt insgesamt einen Blick in die Widersprüchlichkeit und Zerrissenheit in der Region.
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Rubrizierung: 2.612.22.222.23 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Christian Wehrschütz: Brennpunkt Balkan. Wien/Graz/Klagenfurt: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37960-brennpunkt-balkan_44713, veröffentlicht am 15.01.2015. Buch-Nr.: 44713 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken