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Ian Buruma

Chinas Rebellen. Die Dissidenten und der Aufbruch in eine neue Gesellschaft. Aus dem Englischen von Hans-Günter Holl

München/Wien: Carl Hanser Verlag 2004; 446 S.; 25,90 €; ISBN 3-446-20545-4
„China“ sei etwas Orthodoxes, schreibt der Publizist und in London lehrende Sinologe Buruma, „ein Dogma, das Politik als Kultur und Nation als Rasse ausgibt“ (21). Doch der damit einhergehende Mythos von der Einheit des „Chinesischen“ entpuppt sich im Laufe der Reisen, die Buruma seit 1996 durch die chinesischsprachige Welt unternommen hat, als wirklichkeitsfern und sinnentleert. Unter dem Eindruck dieses Mythos, der bei Regierenden wie Oppositionellen lebendig ist, erscheint die Rettung Chinas wieder nur als ein altes konfuzianisches Vorhaben, wobei das zu Rettende ein kulturelles und gleichzeitig utopisches Ideal ist. Allerdings zeigt sich schnell, dass dieser Mythos in den Demokratiebewegungen keine Rolle spielt - entsprechend entlarvt Buruma die so genannten asiatischen Werte als Legitimierungsversuche undemokratischer Systeme. Er traf exilierte Dissidenten in den USA und in Europa, besichtigte das autoritäre Regime in Singapur sowie die „Übergabe“ Hongkongs, erlebte die ersten freien Präsidentschaftswahlen in Taiwan und den Beginn der Falun Gong-Demonstrationen in Peking. Buruma sprach mit Dissidenten, die zum Teil lange Haftstrafen hinter sich hatten, Oppositionellen und einfachen Menschen. Immer wieder gerät dabei der Aufstand auf dem Tian'anmen und dessen Niederschlagung 1989 in den Blick, wobei Buruma die Ereignisse als Rashomon-Geschichte erzählt (in Anlehnung an den Film Kurosawas, in dem eine Bluttat aus verschiedenen Sichten erzählt wird, ohne zu entscheiden, welche Version die richtige ist). Dem Autor gelingt insgesamt ein beeindruckendes Porträt der Demokratiebewegungen in der chinesischsprachigen Welt, wobei er immer wieder fragt, warum viele Dissidenten zum Christentum konvertiert sind. Er erkennt keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Christentum und Demokratie. „Um frei sein zu können, müssen die Chinesen [...] keine Amerikaner oder Europäer werden“ (411). Die demokratischen Entwicklungen z. B. in Taiwan, Südkorea, Japan, Thailand und Indien „belegen, daß die Demokratie relativ indifferent gegenüber der Kultur ist“ (411).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.682.252.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Ian Buruma: Chinas Rebellen. München/Wien: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/22468-chinas-rebellen_25636, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 25636 Rezension drucken