Skip to main content
Rita Süssmuth

Das Gift des Politischen. Gedanken und Erinnerungen

München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2015; 263 S.; geb., 19,90 €; ISBN 978-3-423-28043-3
Rita Süssmuth beschreibt sich selbst einleitend als keineswegs altersmüde, im Gegenteil: „Heute bin ich [...] weit radikaler und konsequenter im Denken als vor 30 Jahren.“ (7) – Der aktuelle Zustand der Demokratie und ihre Sorge um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands hat sie dazu veranlasst, ein Buch über ihre Erfahrungen als Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit in der von Helmut Kohl geführten Regierung und als langjährige Präsidentin des Deutschen Bundestages zu schreiben. Im Titel spricht sie vom „Gift des Politischen“, damit meint sie die Verzögerung wichtiger Reformen unter Verweis auf eine pragmatische Notwendigkeit. Süssmuth nennt als Beispiel ihr Eintreten für den Kondomgebrauch im Kampf gegen Aids, das ihr in der CDU heftige Kritik einbrachte. Direkte Gespräche mit Bürgern hätten ihr aber gezeigt, dass diese häufig differenzierter mit politischen Themen umgingen, als es ihnen Politiker allgemein zutrauten. Die Regierenden wichen dennoch oft gerade bei wichtigen Themen auf eine Beschwichtigungspolitik aus. Ein typisches Beispiel sei die Migrationspolitik, die das schwierigste Themenfeld ihrer politischen Tätigkeit gewesen sei. Sie selbst habe schon 1994 darauf hingewiesen, dass das deutsche Abstammungsrecht von 1913, das die Deutschen noch als Blutsgemeinschaft definierte, nicht mehr zeitgemäß sei. Der damalige Fraktionsvorsitzende Wolfgang Schäuble und der damalige Innenminister Manfred Kanther hätten ihr mit dem Hinweis auf „die notwendige ethnische Homogenität“ (130) klar gemacht, dass es keinerlei Spielraum für eine Änderung im Staatsangehörigkeitsrecht gebe und für Forderungen ihrer Art kein Platz in der Fraktion sei. 1999 habe die hessische CDU noch dazu ihre Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gestartet und dabei erfolgreich auf die Überfremdungsängste der Wähler gesetzt. Noch im Jahr 2000 hätten die Unionsparteien sich gegen den Begriff Einwanderungsland gewehrt. Erst danach sei es endlich zu einer Veränderung des Staatsbürgerrechts gekommen, das nicht mehr die biologische Abstammung, sondern den Geburtsort zum maßgeblichen Kriterium mache. Weitere Beispiele für vernachlässigte Themen sind für Süssmuth der demografische Wandel, Bildung, Armut und die Gleichstellung der Geschlechter. Am Ende zieht sie ein versöhnliches Fazit: „Ich wurde Zeuge, dass Veränderungen, die nach landläufiger Meinung nicht geschehen konnten oder sollten, doch möglich wurden.“ (240) Dies sei durch mutige Persönlichkeiten in der Politik möglich geworden, die mehr getan hätten als nur ihre Pflicht.
{WDE}
Rubrizierung: 2.3 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Rita Süssmuth: Das Gift des Politischen. München: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38415-das-gift-des-politischen_46657, veröffentlicht am 13.05.2015. Buch-Nr.: 46657 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken