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Matthias Jahn

Das Strafrecht des Staatsnotstandes. Die strafrechtlichen Rechtfertigungsgründe und ihr Verhältnis zu Eingriff und Intervention im Verfassungs- und Völkerrecht der Gegenwart

Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann 2004 (Juristische Abhandlungen 42); XXXIV, 685 S.; Ln., 89,- €; ISBN 3-465-03349-3
Rechtswiss. Habilitationsschrift Frankfurt a. M.; Gutachter: K. Lüderssen, U. Neumann. - Der Ausnahmezustand im Verfassungsstaat sei kein „die geltende Rechtsordnung verschlingendes schwarzes Loch“ (21), stellt Jahn fest. Gewissensentscheidungen und Patriotismus könnten nicht Grundlage sein, um einen Staatsnotstand abzuwehren. Jahn analysiert, was ein Staatsnotstand ist und welche Maßnahmen das Grundgesetz und die UN-Charta dagegen vorsehen. Er verknüpft dabei seine juristische Abhandlung aus der Perspektive des Strafrechts interdisziplinär mit politischen Fragen und gesellschaftstheoretischen Überlegungen. Zu den untersuchten Ereignissen gehören u. a. das Eingreifen der NATO im Kosovo-Konflikt, die Terroranschläge vom 11. September 2001, das Terrornetzwerk Al-Kaida und die Androhung der Folter im Entführungsfall Jakob von Metzler. Jahn entwickelt entlang der Darstellung der Rechtspositionen eine eindeutige Aussage, die sich auf alle denkbaren Situationen anwenden lässt: Das Grundgesetz erfasse bereits alle Extremfälle, wobei die Aufrechterhaltung der Gewaltenteilung bei einer Bedrohung von außen ebenso vorgeschrieben sei wie das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit im inneren Notstand. Eine Konsequenz aus der Garantie der Menschenwürde im Grundgesetz sei das Verbot, einen Aufständischen gezielt zu töten. Hinsichtlich des finalen Rettungsschusses habe ein Polizist strafrechtlich daher auch kein „vorrechtliches Notwehrrecht“ (410). Analog dazu attestiert Jahn dem Völkerrecht und der UN-Charta kein Vorrangverhältnis des Menschenrechtsschutzes vor dem Grundsatz des Gewaltverbots - humanitäre Interventionen ohne UN-Mandat seien nicht vom Recht getragen. Jahn stellt fest, dass der globalisierte Terror und die bisherige Weltverfassung inkompatibel erscheinen. Aber ein staatliches Notwehrrecht außerhalb der UN-Charta berge erhebliche Missbrauchsgefahren. Deshalb könne auch in der Reaktion auf den 11. September das Recht nicht ignoriert werden, um es zu verwirklichen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.32.324.1 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Matthias Jahn: Das Strafrecht des Staatsnotstandes. Frankfurt a. M.: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/22841-das-strafrecht-des-staatsnotstandes_26084, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 26084 Rezension drucken