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Daniel Göler

Deliberation – Ein Zukunftsmodell europäischer Entscheidungsfindung? Analyse der Beratungen des Verfassungskonvents 2002-2003

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2006 (Europäische Schriften 84; "Analysen zur europäischen Verfassungsdebatte" der ASKO Europa-Stiftung und des Instituts für Europäische Politik 7); 378 S.; brosch., 59,- €; ISBN 978-3-8329-1939-9
Politikwiss. Diss. Köln; Gutachter: W. Wessels. – Regierungskonferenzen mit der ihnen inhärenten intergouvernmentalen Verhandlungslogik stoßen in der EU des 21. Jahrhunderts zunehmend an ihre Grenzen. Mit deliberativen Formen der Entscheidungsfindung wie dem zwischen 2002 und 2003 tagenden Verfassungskonvent wird daher die Hoffnung verbunden, politische Blockaden aufzulösen und suboptimale Kompromisslösungen zu verhindern. Das Ziel der Studie ist es, die deliberative Qualität des Konvents auszuleuchten sowie Rahmenbedingungen für Deliberation und ihr Potenzial für zukünftige EU-Entscheidungen zu bestimmen. Dabei beruft sich der Autor in Abgrenzung zur normativen Demokratietheorie auf das in den Internationalen Beziehungen vorherrschende Verständnis von Deliberation als Interaktionsmodus eines Entscheidungsgremiums. In einer differenzierten Analyse dreier exemplarischer, aber verallgemeinerungsfähiger Konventsentscheidungen zur Reform der EU-Institutionen, zur Grundrechtecharta und zur Rolle nationaler Parlamente widerlegt er überzeugend die Annahme, der Erfolg von Deliberation hinge allein davon ab, ob Werte- oder Verteilungsfragen zu klären sind. Vielmehr zeige der Vergleich von Arbeitsgruppen- und öffentlicher Plenumsphase, dass eine Vielzahl struktureller Rahmenbedingungen den Erfolg des Verfahrens determiniert, etwa die Größe des Gremiums oder eine gemeinsame Lebenswelt der Teilnehmer. Darüber hinaus beeinflussten akteursspezifische Prädispositionen das Verfahren, z. B. ein Verhalten gemäß der idealen Sprechsituation nach Habermas. Göler zufolge entsprachen die Konventsverhandlungen weitgehend dem Interaktionsmodus der Deliberation, sodass die im Titel formulierte Frage nach der Zukunftsfähigkeit dieser Methode für den Integrationsprozess bejaht werden kann. Leider erschwert der umständliche Sprachduktus mit Schachtelsätzen von bis zu 100 Wörtern unnötig die Lektüre dieser wohl strukturierten und hervorragend belegten Studie.
Oliver Fritsch (OF)
M. A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, National Environmental Research Institute, Universität Aarhus/Dänemark.
Rubrizierung: 3.2 Empfohlene Zitierweise: Oliver Fritsch, Rezension zu: Daniel Göler: Deliberation – Ein Zukunftsmodell europäischer Entscheidungsfindung? Baden-Baden: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/26407-deliberation--ein-zukunftsmodell-europaeischer-entscheidungsfindung_30770, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 30770 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken