Skip to main content
Tony Judt

Dem Land geht es schlecht. Ein Traktat über unsere Unzufriedenheit. Aus dem Amerikanischen von Matthias Fienbork

München: Carl Hanser Verlag 2010; 189 S.; 18,90 €; ISBN 978-3-446-23651-6
In Zeiten von Eurokrise, umstrittenen Rettungsschirmen und europäischen Wettbewerbspakten empfiehlt sich die Lektüre des letzten Buches des im August 2010 verstorbenen Historikers und Politologen Tony Judt. „Ill Fares the Land“ liegt nun in der deutschen Übersetzung vor und erinnert daran, dass es nicht zuletzt die europäischen Sozial- und Wohlfahrtsstaaten waren, die jahrzehntelang für gesellschaftliche und wirtschaftliche Stabilität sorgten und so erst den Grundstein für ein gemeinsames Europa legten. Der Titel ist einem englischen Gedicht entnommen, das darauf hinweist, wie schlecht es um ein Land bestellt ist, wo Reichtum sich häuft, aber Menschen zugrunde gehen. Judt prangert die neoliberale Marktwirtschaft und eine Politik an, die beide in den vergangenen dreißig Jahren viele Errungenschaften an Sozialgesetzen und Regulierungsmaßnahmen rückgängig gemacht haben. Entscheidend ist laut Judt nicht, „wie reich ein Land ist, sondern wie die Einkommensverteilung aussieht“, denn „Ungleichheit wirkt zersetzend“ (27). Der Autor trauert nicht nostalgisch den verlorenen großen Zeiten der Sozialdemokratie nach, sondern zeigt auf, was man in den letzten Jahrzehnten preisgegeben habe: Keynesianismus, Marktregulierung, staatliche Planung, ja damit auch politische Verantwortung, schließlich Moral. Der Sieg des Konservatismus seit den späten 70er-Jahren mit seinem „Kult um Banker, Börsen, Trader, Neureiche“ (87) und dem „Privatisierungskult“ (89) habe gemäß Judt zu einem enormen Demokratiedefizit und steigender Ungleichheit, also Ungerechtigkeit geführt. Es gelte daher, die soziale Frage neu zu stellen, die Politik der Angst zu überwinden. Insbesondere für die Sozialdemokratie sei es notwendig, sich ihrer Ideale zu entsinnen und das Thema einer gerechten Gesellschaft wieder politisch aufzugreifen.
Tamara Ehs (TE)
Dr. phil., Politikwissenschaftlerin am IWK Wien und Lehrbeauftragte an der Universität Salzburg (http://homepage.univie.ac.at/tamara.ehs/)
Rubrizierung: 2.2 | 2.23 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Tamara Ehs, Rezension zu: Tony Judt: Dem Land geht es schlecht. München: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21939-dem-land-geht-es-schlecht_40294, veröffentlicht am 30.03.2011. Buch-Nr.: 40294 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken