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Günter Dux

Demokratie als Lebensform. Die Welt nach der Krise des Kapitalismus

Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2013; 360 S.; geb., 39,90 €; ISBN 978-3-942393-43-0
In der zeitgenössischen politischen Theorie hat sich größtenteils ein rein prozessuales Verständnis von Demokratie durchgesetzt, das die prinzipielle Offenheit der politischen Meinungs‑ und Willensbildung ins Zentrum der Definition rückt. Die Bedeutung prozessualer Regeln ist unstrittig, dennoch weist Günter Dux darauf hin, dass der Grundgedanke von Demokratie damit nur unzureichend erfasst ist. Als Demokratie bezeichnet er vielmehr „die Verfassungsform, die dazu bestimmt ist, allererst die gesellschaftlichen Bedingungen einer selbstbestimmten Lebensführung des Subjekts als einer von Sinn bestimmten Lebensführung zu schaffen“ (17). Denn das Ziel einer selbstbestimmten Lebensführung, die der humanen Lebensform spätestens seit der Aufklärung zugrunde liegt, ist in der modernen Gesellschaft zwar untrennbar mit der demokratischen Verfassungsform verbunden. Gleichzeitig trägt aber der Konflikt der Demokratie mit der auf das ökonomische System gegründeten Machtverfassung der Gesellschaft dazu bei, dass die selbstbestimmte Lebensführung einer großen Zahl von Menschen trotz prozessual gleichen Zugangs zu politischen Willensbildungsprozessen systematisch unterdrückt wird. Dux zeigt in einer umfassenden historischen Analyse, dass die Geschichte der Demokratie neben der geistesgeschichtlichen auch einer sozioökonomischen Entwicklungslinie folgt; wenn auch beide Entwicklungen eng miteinander verstrickt sind, so folgen sie eben zugleich sehr unterschiedlichen Logiken. Während die ideengeschichtlich‑politische Entwicklung der Demokratie die Selbstbestimmung der humanen Lebensform immer stärker ins Zentrum rückte, so hat die kapitalistisch verfasste Marktgesellschaft – und hier insbesondere der kapitalistische Arbeitsmarkt – zu einem sukzessiven Verlust der Selbstbestimmung geführt. Selbstverständnis und gesellschaftliche Lebensführung des Subjekts treten somit zunehmend auseinander. Dies lässt sich aktuell nicht nur an den großen Finanz‑ und Verteilungskrisen festmachen, auch die durch die kapitalistische Wertschöpfung voranschreitende Zerstörung der Umwelt stellt eine ungemeine Bedrohung für die Organisationsform der Gesellschaft als Ganzes dar. Gegen Habermas' Theorie der deliberativen Demokratie wendet der Autor schließlich ein, dass diese die kapitalistisch bedingte Machtverfasstheit der Demokratie verkenne. Statt die Marktgesellschaft von einer deliberativen Vernunft bestimmt zu sehen, sei die große Aufgabe der Zukunft, „die Machtverfassung des politischen Systems so zu organisieren, dass gesellschaftlich die Bedingungen einer selbstbestimmten Lebensführung eines jeden Subjekts geschaffen werden“ (329).
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 5.41 | 5.42 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Günter Dux: Demokratie als Lebensform. Weilerswist: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36495-demokratie-als-lebensform_42808, veröffentlicht am 12.12.2013. Buch-Nr.: 42808 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken