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Gerhard Weigt

Demokratie jetzt. Der schwierige Weg zur deutschen Einheit. Ein Zeitzeuge berichtet

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt 2015; 515 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-374-04118-3
Gerhard Weigt gehörte zu den Unterzeichnern des „Aufrufs zur Einmischung in eigener Sache“, mit dem die Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“ im September 1989 zur Friedlichen Revolution in der DDR beitrug. Weigt ist es mit diesem Buch ein Anliegen, die Entstehungsgeschichte von „Demokratie Jetzt“ darzulegen, wobei er zunächst weit in die Geschichte der DDR ausholt. Durch diese historischen Anbindungen ist die Darstellung allerdings zu langatmig geraten, zumal die Fakten aus der Literatur bekannt sind; wiederholt bedauert man bei der Lektüre, dass sich Weigt nicht auf seinen Zeitzeugenbericht konzentriert und sich nicht von einem Historiker hat helfen lassen. So ist es etwas mühsam, die Entwicklung von „Demokratie Jetzt“ (hervorgegangen aus einer zunächst innerkirchlichen Gruppe), die Rolle der wichtigsten Protagonisten und die politischen Meilensteine, die gesetzt wurden, nachzuvollziehen – was bedauerlich ist, da „Demokratie Jetzt“ den Runden Tisch mitinitiierte, also die Endphase der DDR mitprägte. Dennoch verrät der Bericht Weigts einige Details über Denkweisen und Befindlichkeiten bei (einigen) oppositionellen DDR‑Bürgern. Weigt selbst ist in mancherlei Hinsicht offenbar lange in den DDR‑typischen Handlungsmustern verhaftet geblieben, berichtet er doch von einem Brief, den er 1988 an Honecker schrieb, um seinem Ärger Luft zu machen – ein doch für die DDR sehr typisches Verfahren. Als wichtige Impulsgeber für die Oppositionellen in der DDR werden die Dissidenten in anderen Staaten des Ostblocks genannt, vor allem in den Nachbarländern Polen und Tschechoslowakei. Lange hielt sich in vielen Köpfen gleichzeitig die irrige Annahme, so die Darstellung, die deutsche Teilung sei als Kriegsfolge irgendwie gerecht. Die damals öffentlichkeitswirksame Opposition stellte oftmals auch nicht die grundsätzliche Systemfrage, sondern trat für mehr Freiheit ein. Als Beispiel für diese Haltung zitiert Weigt unter anderem einen Aufruf des Neuen Forums vom 1. Oktober 1989: „‚Für uns ist die ‚Wiedervereinigung kein Thema, da wir von der Zweistaatlichkeit Deutschlands ausgehen und kein kapitalistisches Gesellschaftssystem anstreben.‘“ (312) Ein nicht uninteressantes Detail ist schließlich der Bericht Weigts, dass sich „Demokratie Jetzt“ in der akuten Phase der Revolution dagegen entschied, sich von einem West‑Berliner Politikwissenschaftler beraten zu lassen; diese schnell bedeutungslos gewordene Bürgerbewegung wurde später Teil von Bündnis 90/Die Grünen.
{NW}
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Gerhard Weigt: Demokratie jetzt. Leipzig: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40182-demokratie-jetzt_47774, veröffentlicht am 08.12.2016. Buch-Nr.: 47774 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken