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Kathrin Groh

Demokratische Staatsrechtslehrer in der Weimarer Republik. Von der konstitutionellen Staatslehre zur Theorie des modernen demokratischen Verfassungsstaats

Tübingen: Mohr Siebeck 2010 (Jus Publicum 197); XVIII, 648 S.; 119,- €; ISBN 978-3-16-150222-4
Rechtswiss. Habilitationsschrift Düsseldorf; Gutachter: C. Gusy, J. Hellermann. – Konzentrierte sich die ideengeschichtliche Forschung zur Weimarer Republik, angeregt durch die Habilitationsschrift Kurt Sontheimers, lange auf das antidemokratische Denken und pflegte damit die geschichtspolitisch notwendig erscheinende Kontrastierung von Bonn und Weimar, so zeigt sich in den letzten zehn Jahren ein zunehmendes Interesse an der demokratischen Tradition deutschen Staatsrechtsdenkens. Groh stellt in ihrer Schrift mit Hugo Preuss, Gerhard Anschütz, Richard Thoma, Hans Kelsen und Hermann Heller fünf zentrale demokratische Staatsrechtslehrer – Gustav Radbruch fehlt leider – vor, die bis heute im Schatten ihrer Widersacher stehen. Die Charakterisierung der Autoren als demokratische Verfassungstheoretiker soll keineswegs deren Einmütigkeit postulieren: Jeder von ihnen hatte einen eigenständigen theoretischen Zugang, der zunächst mit Blick auf das Kaiserreich entwickelt wurde und das eigene Demokratieverständnis prägte. Diese zunächst eher abstrakt entworfene Perspektive veranschaulicht die Autorin in einem zweiten Schritt, indem sie die allgemeinen Erörterungen anhand der jeweiligen Deutung zentraler Begriffe einer Demokratietheorie referiert: Führung, Parteien, Verbändepluralismus, Grundrechte und (sehr umfangreich) Parlamentarismus. Hierbei wird mehr als deutlich, dass das jeweilige Urteil der Staatsrechtler nicht nur von seiner theoretischen, sondern auch der politischen Position im Parteienspektrum getragen wird, was – wie etwa die verbreitete Absage an den Parlamentarismus am Ende der Weimarer Republik zeigt – mitunter kritikwürdig ist. Diese Differenzierung wird im letzten Abschnitt über die entsprechenden Verfassungstheorien noch deutlicher und dürfte vertraute Auffassungen revidieren: etwa wenn der häufig gescholtene Kelsen für den Bestand der Verfassung plädiert, während der in der Politikwissenschaft geschätzte Heller durchaus bereit zu sein scheint, den demokratischen Staat durch einen kommissarischen Diktator erhalten zu wollen. Wenn insgesamt die demokratische Staatsrechtslehre der Weimarer Republik weit von einem übergreifenden Konsens über Methoden, Theorien, Erkenntnisinteresse und politische Präferenzen entfernt war, so spricht dies keineswegs gegen sie; es verweist vielmehr auf die Dringlichkeit, sie heute einer erneuten Lektüre zu unterziehen.
Frank Schale (FS)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.311 | 5.41 | 5.42 | 5.46 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Kathrin Groh: Demokratische Staatsrechtslehrer in der Weimarer Republik. Tübingen: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32518-demokratische-staatsrechtslehrer-in-der-weimarer-republik_38808, veröffentlicht am 04.01.2011. Buch-Nr.: 38808 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken