Skip to main content
Astrid Lorenz

Demokratisierung in Ostdeutschland. Verfassungspolitische Weichenstellungen in den neuen Ländern und Berlin

Wiesbaden: Springer VS 2013; IX, 428 S.; 49,99 €; ISBN 978-3-658-03186-2
Astrid Lorenz, Professorin für Politikwissenschaft in Leipzig und Vorsitzende des Sächsischen Kompetenzzentrums Landes‑ und Kommunalpolitik e. V., beginnt ihre Untersuchung mit einem Sachverhalt, der in den vorhandenen Betrachtungen des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik eher vernachlässigt wurde. Nach Lorenz existierten im Prozess der Verfassunggebung der neuen Bundesländer zahlreiche Möglichkeiten und Spielräume zur Ausgestaltung der zukünftigen politischen Systeme, der Staatsorganisation und der Interpretation von Grundrechten. Somit war durch das Grundgesetz der Bundesrepublik den neuen Ländern „längst kein komplettes Ordnungssystem“ (2) vorgegeben. Innerhalb der Grenzen der grundgesetzlichen Regelung der Verfassungsautonomie konnten demnach richtungsgebende verfassungstechnische Entscheidungen getroffen werden, die sich aus wissenschaftlicher Sicht aufgrund ihrer gleichzeitigen Umsetzung in den fünf neuen Flächenländern und Berlin als eine „historisch einmalige ‚Versuchsanordnung‘“ (349) für das Studium demokratischer Transformationsprozesse anbieten. Lorenz nutzt diesen Umstand, um aus vergleichender politikwissenschaftlicher Perspektive die Auswirkungen der unterschiedlichen parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse auf die konkrete Ausgestaltung dieses Prozesses zu untersuchen und eine Forschungslücke zu schließen. In den Mittelpunkt ihrer Analyse stellt sie dabei die Natur und die Gegenstände der während der Verfassunggebung auftretenden Konflikte, die hier angewandten Verfahren, gefundenen Lösungen und erreichten Ergebnisse. Methodisch basiert die Studie auf der Rekonstruktion der Verhandlungen der Verfassungen durch eine Kombination aus Gruppen‑ und Einzelinterviews, Primärquellenauswertung (u. a. Plenar‑ und Ausschussprotokolle und auch Privataufzeichnungen) und wissenschaftlich begleiteter Gruppendiskussionen. Letztere fanden zwischen politischen Beteiligten und Zeitzeugen im Rahmen einer im November 2008 abgehaltenen Forschungstagung statt. Die Autorin ergänzt dieses Vorgehen zusätzlich um ein quantitatives Verfahren zur Messung der Präferenz der prozessbeteiligten Akteure bezüglich der „landesverfassungsrechtlichen Regelungsintensität“ (37) zu so unterschiedlichen Aspekten wie den Staatszielen, dem vorgesehenen Umgang mit dem alten System und seinen Trägern oder dem Verhältnis zwischen Staat und Kirche. Folgt man Lorenz, gelten die in dieser Untersuchung aufgezeigten und nachgezeichneten Prozesse als Nachweis dafür, dass sich in den Bundesländern und Berlin „Arenen teilautonomer politischer Gestaltung“ (382) gebildet haben, deren Berücksichtigung für ein weitergehendes Verständnis der Demokratieentwicklung in Deutschland notwendig sind.
Christian Patz (CPA)
M.A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften, Fachbereich Politikwissenschaft, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Rubrizierung: 2.3252.3152.352.3312.32 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Astrid Lorenz: Demokratisierung in Ostdeutschland. Wiesbaden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37590-demokratisierung-in-ostdeutschland_45905, veröffentlicht am 25.09.2014. Buch-Nr.: 45905 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken