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Savaş Taş

Der ethnische Dominanzanspruch des türkischen Nationalismus. Eine diskursanalytische Studie zur Ideologie des türkischen Staates und der MHP

Münster: Westfälisches Dampfboot 2012; 254 S.; brosch., 29,90 €; ISBN 978-3-89691-908-3
Diss. FU Berlin; Begutachtung: H. Kramer, B. Rommelspacher. – Als Integrationserzählungen sind nationale Ideologien eine zweischneidige Sache: Sie schaffen einerseits eine hinreichende Vorstellung von nationaler Identität, sie konstruieren damit gleichsam jedoch auch Minderheiten – in der Türkei etwa die Kurden oder die Armenier – und grenzen diese ex- oder implizit aus. Vor diesem Hintergrund verfolgt Taş das Ziel, die dezidiert „rassistischen Anteile und Strukturen“ (11) innerhalb des türkischen Nationalismus aufzuzeigen, wobei eine Kongruenz von „national“ und „rassistisch“ unterstellt wird. Anhand einer an Foucault angelehnten kritischen Diskursanalyse untersucht Taş unter diesem Gesichtspunkt Artikel (jeweils sieben) aus türkischen Tageszeitungen (insgesamt 2), die im Zeitraum von 2006 bis 2009 publiziert worden sind. Auf Grundlage dieses überaus dünnen Materials kommt er zu dem Schluss, dass „eine klare Grenzziehung zwischen Nationalismus und dessen rassistischen Tendenzen“ (231) nicht zu leisten sei, weil der Erstere die Letzteren gezielt verschleiere. So bleibt für ihn als Befund nur die wenig überraschende Feststellung, wonach der an den türkischen Nationalismus appellierende Diskurs auf die Herstellung einer nationalen Einheit abziele. Angesichts der oben angeschnittenen Ambivalenz nationaler Identitätserzählungen scheint dieser Befund letztlich zu schwach zu sein: Inwieweit rassistische Motive verschleiert werden, von wem und warum, und noch dazu inwieweit sich Verschleierungspraktiken und Zielgruppen rassistischer Ausgrenzungen verändern – das alles hätten spannende Fragen sein können, die die gewählte Methode beantworten kann, auf die eine Antwort nach Lektüre der Dissertation von Taş – leider – jedoch noch aussteht. Hinzu kommen lange Exkurse zur türkischen Geschichte oder zum Begriff des Rassismus, die man eher über Sekundärliteratur hätte abdecken können, als sie noch einmal zu referieren. Insgesamt entsteht so der Eindruck einer unausgewogenen Darstellung.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.63 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Savaş Taş: Der ethnische Dominanzanspruch des türkischen Nationalismus. Münster: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35174-der-ethnische-dominanzanspruch-des-tuerkischen-nationalismus_42350, veröffentlicht am 12.10.2012. Buch-Nr.: 42350 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken