Skip to main content
Christian Kreuder-Sonnen

Der Globale Ausnahmezustand. Carl Schmitt und die Anti-Terror-Politik des UN Sicherheitsrates

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012 (Internationale Beziehungen 18); 131 S.; 24,- €; ISBN 978-3-8329-7147-2
Magisterarbeit LMU München; Begutachtung: B. Zangl, M. Schefczyk. – Der Ausnahmezustand und Carl Schmitt scheinen in der gegenwärtigen politikwissenschaftlichen Debatte offenbar untrennbar miteinander verbunden zu sein, obschon Schmitt die subtilen biopolitischen Verwerfungen von Exekutivexpansionen in Krisenzeiten, im Unterschied etwa zu Giorgio Agamben, nicht thematisiert und somit den kriseninduzierten Suspendierungen von Grundrechten in modernen Demokratien kaum mehr gerecht werden dürfte. Kreuder-Sonnens Beitrag zur Ausnahmethematik ist insofern originell, als dass er nicht – wie etwa Rossiter in seiner klassischen, indes immer noch aktuellen Studie „Constitutional Dictatorship“ von 1948 – nationale Verfahrensweise zur Krisenintervention analysiert, sondern die Politik des UN-Sicherheitsrates im Zusammenhang mit den Resolutionen 1267, 1373 und 1540 beleuchtet: „Am Ende der 1990er Jahre hat der Sicherheitsrat [...] im Bereich der Terrorismusbekämpfung [...] eine Reihe beispielloser Maßnahmen ergriffen, die [...] als besonders umfassend, schlagkräftig und effektiv gelten, die [...] aber auch enorme rechtliche und normative Probleme aufweisen.“ (13) Seine Analyse der Anti-Terror-Politik führt Kreuder-Sonnen zu dem Ergebnis, beim Sicherheitsrat könne es sich tatsächlich „um ein globalisiertes Abbild von Carl Schmitts Theorie des Ausnahmezustandes“ (87) handeln. Zwei Aspekte lassen dieses Ergebnis in einem recht zweifelhaften Licht erscheinen: Zum einen orientiert sich Schmitts Theorie am souveränen Nationalstaat, dessen Souveränität es überhaupt erst zu begründen (souveräne Diktatur) und auch zu erhalten (kommissarische Diktatur) gelte. Was wäre auf globaler Ebene das Äquivalent zur souveränen Diktatur – was also wäre der in sich souveräne Gründungsakt der Weltgesellschaft, in der der Sicherheitsrat (als „Weltregierung“) überhaupt erst „Diktator“ sein könnte? Und zum anderen: Selbst wenn man die theoriegeleitete Analogiebildung übernimmt, was wäre damit heuristisch gewonnen? Ein Ausgangspunkt für die Kritik einer – vermeintlichen – Illegitimität von Resolutionen des Weltsicherheitsrates? Die vom Autor in beiden Fällen zumindest angedeuteten Argumente bedürfen hier noch der weiteren Ausführung. Dass indes mehrfach von einem „globalen Ausnahmezustand“ die Rede ist, scheint das Konzept des Ausnahmezustandes als Expansion von Exekutivkompetenzen in Krisensituationen nur unnötig zu verwässern. Was die Arbeit auf jeden Fall lesenswert macht, ist – das sei abschließend ausdrücklich betont – die konzise Darstellung der Theorie Carl Schmitts.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.3 | 4.1 | 4.41 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Christian Kreuder-Sonnen: Der Globale Ausnahmezustand. Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35229-der-globale-ausnahmezustand_42422, veröffentlicht am 07.06.2012. Buch-Nr.: 42422 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken