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Yanis Varoufakis

Der globale Minotaurus. Amerika und die Zukunft der Weltwirtschaft. Aus dem Englischen von Ursel Schäfer

München: Verlag Antje Kunstmann 2015; 288 S.; 2. Aufl.; 19,95 €; ISBN 978-3-88897-754-1
Man kann über Yanis Varoufakis geteilter Meinung sein – fehlende Fachkenntnisse oder rhetorische Verlegenheit wird man ihm nicht unterstellen können. Die weltweite Wirtschafts‑ und Finanzkrise von 2008, deren Folgen in Form der Staatschuldenkrise in Europa immer noch spürbar sind, bilden den Anstoß seines Buches, das bereits 2011 in englischer Sprache erschienen ist. Varoufakis konstatiert einen „Zustand massiver Verwirrung“ (11), in der die altbekannten ökonomischen Lösungen nicht mehr greifen. Wie konnte es zu dieser weltweiten Krise kommen? Hierzu analysiert er die internationale Wirtschaftsentwicklung seit dem Schwarzen Freitag 1929. „Meine Antwort ist bildlich gesprochen: Der Crash von 2008 passierte, als ein Ungeheuer, das ich den Globalen Minotaurus nenne, lebensgefährlich verwundet wurde.“ (34) Mit dem genannten Fabelwesen charakterisiert der Autor das seit den 1960er‑Jahren chronische doppelte Defizit der Haushalts‑ und Handelsbilanz der Vereinigten Staaten. Kernthese ist, dass dieses Defizit, zunächst paradox erscheinend, absichtlich vergrößert und von den Handelspartnern bezahlt wurde. „Angetrieben durch das doppelte Defizit Amerikas, spuckten die führenden Überschussökonomien der Welt […] Güter aus, und Amerika verschlang sie“ (35). Analog zur antiken Fabel flossen die Tribute – also die Gewinne – zurück in die USA, wo sie dann durch die Wall Street in verschiedenster Form reinvestiert wurden. Doch lag hierin der Kern der Krise: Durch die jahrzehntelange Kapitalschwemme und das niedrige Zinsniveau wurde die toxische Immobilienblase letztlich ermöglicht. „In Amerika war der Anstieg des Volumens nicht abgesicherter Verbindlichkeiten unfassbar.“ (156) Die globale Dominanz der USA beziehungsweise des Westens, so ist sich der Autor sicher, gehört der Vergangenheit an; die Rolle Chinas sei für die Zukunft der Weltwirtschaft entscheidend. Seine Thesen stellt Varoufakis überzeugend, sprachlich eloquent bis populistisch, zuweilen bissig‑provokativ dar. Die präsentierten Lösungsansätze – Mäßigung, Investitionen der Überschüsse, Neuordnung des Weltwährungssystems, globale Kooperation – sind aber zu simpel und überzeugen keineswegs. Varoufakis wählt hier die gleiche Vorgehensweise, die er bei seinen Kollegen kritisiert: Er propagiert ein ökonomisches Modell, an dessen Richtigkeit nicht zu rütteln ist – schließlich stammt es aus seiner Feder. Für Politolog_innen ist sein Buch nur sehr bedingt geeignet, da es sich an das breite Publikum wendet und konsequent auf Belege und Anmerkungen verzichtet. Hierfür verweist der Autor schon im Vorwort auf sein mit anderen Autoren verfasstes Werk „Modern Political Economics“, das sich explizit an ein akademisches Publikum richtet und in den USA erschienen ist.
{FGI}
Rubrizierung: 4.432.642.613.52.3422.622.262 Empfohlene Zitierweise: Fabrice Gireaud, Rezension zu: Yanis Varoufakis: Der globale Minotaurus. München: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38674-der-globale-minotaurus_47130, veröffentlicht am 23.07.2015. Buch-Nr.: 47130 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken