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Wolfgang Günter Lerch

Der Kaukasus. Nationalitäten, Religionen und Großmächte im Widerstreit

Hamburg/Wien: Europa Verlag 2000; 188 S.; brosch., 24,50 DM; ISBN 3-203-79530-2
Das Buch stellt die Region des Kaukasus als grenzübergreifende Konfliktregion vor und fragt dabei sowohl nach den Ursachen der aktuellen Konflikte als auch nach den Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft. Lerch, Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Islam-Experte, erklärt die bestehenden Konflikte sowie die permanente Instabilität der gesamten Region vor allem aus einer geschichtswissenschaftlichen Perspektive. So führt er das wiederholte militärische Vorgehen Moskaus gegen Tschetschenien auf den Verlust des Sowjetimperiums zurück. Moskau fürchte sich seit dem Zerfall der Sowjetunion vor einer Fortsetzung dieses Entkolonialisierungsprozesses unter den nicht-russischen, und insbesondere unter den muslimischen Völkern, und wolle deshalb an den Tschetschenen ein Exempel statuieren. Zugleich sieht Lerch aber auch andere Faktoren - etwa das Interesse Russlands an natürlichen Ressourcen beziehungsweise einer zumindest teilweisen Kontrolle über den Transport von Öl durch diese Region oder das Interesse Russlands an der Abwehr der Einflussnahme externer Mächte wie der Türkei oder des Iran - am Werk. Auch die abschließend entworfenen Szenarien leitet der Autor aus dem Vergleich mit anderen historischen Ereignissen ab: Erstens könne Moskau weiter auf eine harte, mit militärischen Sanktionen drohende Politik der Sicherung des territorialen Bestands der Föderation im Nordkaukasus und die Wahrung seiner Interessen in Transkaukasien setzen. Zweitens bestehe die Möglichkeit, dass Moskau unter den Vorzeichen einer Rückkehr zu einer Diktatur versuchen könne, die ehemaligen Staaten der Sowjetunion wieder in einen Gesamtstaat zu zwingen. Drittens gebe es die Option einer friedlichen und einvernehmlichen Lösung von Interessenkonflikten zwischen dem Zentrum und den ethnischen Gruppen dieser Region nach dem Vorbild des Ausgleichs zwischen Moskau und der Republik Tatarstan an der Wolga. Das Buch bietet einen nützlichen Überblick über diese für Russland so wichtige Konfliktregion. Allein aufgrund formaler Kriterien ist es aber eher als theoretisch angereicherter Tatsachenbericht denn als Beitrag zur wissenschaftlichen Literatur zu verstehen. So verzichtet Lerch z. B. auf einen Fußnotenapparat und streckenweise lesen sich die Ausführungen wie Ausschnitte aus einem Reisetagebuch. Inhalt: I. Jelzin, Putin und die kaukasischen Banditen; II. Schauplatz der Geschichte; III. Georgien und Armenien - Die christlichen Reiche; IV. Aserbaidschan - Erdöl und Feuertempel; V. Die kleinen Republiken des Nordens; VI. Unter kommunistischer Herrschaft - Verheißung und Versagen der Sowjetunion; Ausblick: Zwischen Krieg und Frieden - Wie weiter im Kaukasus?
Sven Christian Singhofen (SCS)
M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaft (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.62 | 2.25 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Sven Christian Singhofen, Rezension zu: Wolfgang Günter Lerch: Der Kaukasus. Hamburg/Wien: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/13114-der-kaukasus_15708, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 15708 Rezension drucken