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Benjamin Triebe

Der Nationalstaat als sozialwissenschaftliche Denkkategorie. Eine Analyse des methodologischen Nationalismus

Marburg: Tectum Verlag 2012 (Sozialwissenschaften 53); 104 S.; pb., 24,90 €; ISBN 978-3-8288-2964-0
Magisterarbeit Jena; Begutachtung: T. Reitz, M. Dreyer. – Benjamin Triebe widmet sich dem Phänomen des methodologischen Nationalismus, das er, basierend auf den Vorarbeiten von Michael Zürn, Ulrich Beck und anderen, als „eine allgemeine Fixierung bzw. Fokussierung der Sozialwissenschaften auf den Nationalstaat als ihre selbstverständliche Analyse‑ und Untersuchungseinheit“ definiert. Triebe entwickelt seinen Begriff in Abgrenzung zum „normativen Nationalismus“ (43). Geht es bei Letzterem noch um einen positiven emotionalen oder politischen Bezug zum Heimatland, definiert sich der methodologische Nationalismus als eine sozialwissenschaftliche Denk‑ und Analysekategorie, die Auswirkungen auf die Theoriebildung hat. Denn diese methodische Grundhaltung führe zu einer „Containertheorie“ (62), die Nationalstaat und Gesellschaft gleichsetze. Zudem werde diese Grundhaltung nicht explizit gemacht, was bedenkliche Folgen nach sich ziehen könne, so Triebe. Ein Beispiel: Da die Übereinstimmung von Nation und Gesellschaft ein – zumindest bisher – oft nicht hinterfragtes Axiom sei, betrachte die Migrationsforschung zwischenstaatliche Wanderungsbewegungen immer noch überwiegend als eine Ausnahme von der Regel, woraus dann wiederum ein Regulierungsbedarf abgeleitet werde. Dabei werde übersehen, dass das historische Phänomen des Nationalstaats den Begriff Migration erst konstituiere. Vom Paradigma des methodologischen Nationalismus sollten sich die Sozialwissenschaften daher – wenigstens ein Stück weit – lösen. Triebe fordert eine „kritische Reflexion“ (93), die letztlich darauf hinauslaufen soll, dass territorialstaatliche Ordnungsprinzip ebenso infrage zu stellen wie die Jellinek‘sche Staatsdefinition. Auch wenn der Autor die philosophischen und politischen Konsequenzen eines solch radikalen Bruchs möglicherweise nicht vollständig überschaut, liefert er doch eine Arbeit, die vom Anspruch her deutlich über den Rahmen einer Magisterarbeit hinausgeht und diesem hohen Anspruch auch gerecht wird.
Kristian Klinck (KLI)
Dr. rer. pol., Politikwissenschaftler, Lehrbeauftragter, Institut für Sozialwissenschaft, CAU Kiel.
Rubrizierung: 5.2 | 5.41 Empfohlene Zitierweise: Kristian Klinck, Rezension zu: Benjamin Triebe: Der Nationalstaat als sozialwissenschaftliche Denkkategorie. Marburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35593-der-nationalstaat-als-sozialwissenschaftliche-denkkategorie_42951, veröffentlicht am 04.04.2013. Buch-Nr.: 42951 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken