Skip to main content
Rainer Baumann

Der Wandel des deutschen Multilateralismus. Eine diskursanalytische Untersuchung deutscher Außenpolitik

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2006 (Internationale Beziehungen 4); 232 S.; brosch., 29,- €; ISBN 978-3-8329-2087-6
Seit der Wende befasst sich die Außenpolitik-Forschung mit der Frage, ob der Machtzuwachs der Bundesrepublik Deutschland auch zu einem Mehr an Machtpolitik geführt habe. Die meisten Analysten sind sich aber darin einig, dass die bundesrepublikanische Außenpolitik der 90er-Jahre eine große Kontinuität zur früheren, kooperativen und „multilateralen“ Politik aufweise. Diese „Kontinuitätsthese“ stellt Baumann mit seiner Diskursanalyse außenpolitischer Reden von der Wendezeit bis Ende der 90er Jahre infrage. In diesen Sprechakten, die aus diskursanalytischer Perspektive eine Form politischen Handelns darstellen, habe sich ein eindrucksvoller Wandel vollzogen. Zwar hielt das vereinigte Deutschland am Prinzip des Multilateralismus fest, jedoch verschob sich dessen Begründung deutlich. Frühere prinzipiengeleitete Rechtfertigungen – Multilateralismus als Verpflichtung oder faktisch unumgehbar – wurden tendenziell von einer Rhetorik abgelöst, die Multilateralismus als nützliches politisches Instrument und als internationale Einflusspolitik legitimiert. Dieser rhetorische Wandel eröffnet der deutschen Außenpolitik, so Baumanns vorsichtige Prognose, zunehmend Spielräume für eine Außenpolitik, die den nationalen Nutzen, und nicht internationale Pflichten, zum Entscheidungskriterium macht. Darauf weist auch sein Befund hin, dass im Laufe der 90er-Jahre der Begriff des „nationalen Interesses“ eine immer wichtigere Rolle im außenpolitischen Diskurs übernahm. Die Studie macht die theoretischen Vorzüge der Diskursanalyse überzeugend deutlich. Dieser Ansatz ermöglicht – anders als die statisch und deterministisch orientierten Mainstream-Theorien – Dynamik und Wandel in der politischen Praxis zu erkennen. Indem Diskurse als historisch offen ausgewiesen werden, wird auch die Praxisrelevanz von Baumanns Arbeit deutlich. Denn sie stellt eindrucksvoll den Gestaltungsspielraum diskursiven Handelns heraus, der von Politikerinnen und Forschern gleichermaßen genutzt werden kann.
Tine Hanrieder (CTH)
M. A., wiss. Assistentin, Geschwister-Scholl-Institut, LMU München.
Rubrizierung: 4.21 Empfohlene Zitierweise: Tine Hanrieder, Rezension zu: Rainer Baumann: Der Wandel des deutschen Multilateralismus. Baden-Baden: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/27036-der-wandel-des-deutschen-multilateralismus_31563, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 31563 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken