Die Angst vor den Barbaren. Kulturelle Vielfalt versus Kampf der Kulturen. Aus dem Französischen von Ilse Utz
Nach 1990 und dem Ende des Gegensatzes zwischen Ost und West hätte man annehmen können, so der Autor, dass sich nun die Träume der großen liberalen Denker erfüllten, eine harmonische Weltordnung ohne Streben nach Vorherrschaft. Doch die technologischen Neuerungen in Verkehr und Kommunikation haben zu einem Nebeneinander von Gegensätzen geführt, „sodass das Archaische unmittelbar an das Ultramoderne grenzt“ (13). Es ergebe keinen Sinn, die Welt anhand großer geografischer Trennlinien oder gar nach Kulturen einzuteilen, so Todorov. Aus kulturtheoretischer Sicht müsse man die Länder der Welt heute danach einteilen, wie sie auf diese Gegebenheiten reagieren. Denn es seien die menschlichen Leidenschaften, die eine Gesellschaft antreiben, führt er in Rekurs auf Montesquieu aus. So ließen sich verschiedene Ländergruppen bilden, wobei der Autor sich dann nur auf zwei konzentriert. Die Gruppe, in der der Angst ein wichtiger Stellenwert zukomme, umfasse die Länder des Westens, die um ihre ökonomische Vormachtstellung in der Welt fürchteten. Die andere Gruppe sei durch das Ressentiment gekennzeichnet. Dies sei das Ergebnis einer realen oder imaginierten Demütigung und gelte den einstigen Kolonialmächten und den USA und sei in einem großen Teil der Länder mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung anzutreffen. Der Westen, so die zentrale Botschaft Todorovs, stehe in Gefahr, aus „Angst vor den Barbaren, [sich] selbst zu Barbaren zu machen“ (17). Dies zeige sich durch die Fälle von Folter, aber auch die Einschränkung von Freiheitsrechten im Kontext des Kampfes gegen den Terror. Der Autor stellt auch die Frage nach einer möglichen „optimalen Grenze der Europäischen Union“ (243). Eine politische Entität bedürfe der Grenzen. Neben den klassischen Beitrittskriterien politischer, juristischer und ökonomischer Natur müsse man auch das strategische Interesse ins Auge fassen. Danach wäre ein idealer Nachbar ein Land, das den Staaten der EU relativ ähnlich sieht. Insofern wäre es im Interesse Europas, „die Türkei zum Nachbarn zu haben, und nicht entferntere Länder“ (247). Gleiches gelte auch für die Ukraine.