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Jörg Radtke / Bettina Hennig (Hrsg.)

Die deutsche "Energiewende" nach Fukushima. Der wissenschaftliche Diskurs zwischen Atomausstieg und Wachstumsdebatte

Marburg: Metropolis-Verlag 2013 (Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Nachhaltigkeitsforschung 8); 442 S.; 34,80 €; ISBN 978-3-7316-1028-1
Seit dem Beschluss von Bundesregierung und Bundestag im Jahre 2011 zur Energiewende gilt es, die deutsche Energiepolitik „radikal“ (11) neu auszurichten, denn bis 2022 soll der vollständige Atomausstieg vollzogen und damit das letzte Atomkraftwerk vom Netz sein. Die Autor_innen dieses Bandes sind sich darin einig, dass die Energiewende nicht nur eine technische, sondern vor allem eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Herausforderung darstellt. Dabei betonen sie, dass neben ökologischen, technischen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten auch gesellschaftlichen Bereichen, Themen, Akteuren und Betrachtungsweisen eine herausragende Bedeutung zukommt. Jedenfalls sei die Energiewende „sehr viel mehr als nur ein Umbruch von alter zu neuer Technologie“ (19), was sie in den Beiträgen dieses Sammelbandes gut herausarbeiten. Die wesentlichen Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Transformation des Energiesystems sieht Harald Heinrichs als erfüllt an: „Es gibt einen parteiübergreifenden Grundkonsens, eine breite parlamentarische Mehrheit, eine in Meinungsumfragen stabile Unterstützung in der Bevölkerung, eine tendenziell positive Bewertung in signifikanten Teilen der Wirtschaft und der Medien.“ Dennoch erkennt er noch sehr „heterogene Interessen von mächtigen Akteuren“ (137), die der Energiewende kritisch gegenüberstehen und weiterhin bemüht sein werden, Sand ins Getriebe zu streuen. Die Umsetzung der Energiewende könne nur gelingen, wenn die Bürger in ausreichendem Maße beteiligt werden: „Ohne legitimierende Akzeptanz, beispielsweise von Standortentscheidungen beim Netzausbau, oder aktive Mitwirkung, beispielsweise durch wirtschaftliche und finanzielle Bürgerbeteiligung, wird der Übergang in ein anderes, dezentraleres Energiesystem kaum möglich sein.“ (136) Conrad Kunze prognostiziert gar eine Entwicklung von der Energie‑ hin zur „Demokratiewende“ (183), denn die Einführung von erneuerbaren Energien allein könne nicht die „drohenden ökologischen Krisenszenarien abwenden“, vielmehr müsse „eine Verknüpfung von solarer Wende mit einer Abkehr vom Wachstumsmodell“ (195) erfolgen. Das Potenzial von Bürgerenergie‑Projekten beleuchtet Jörg Radtke und resümiert, dass noch nicht absehbar sei, welche Rolle sie im Gesamtsystem der Energieerzeugung spielen werden. Derzeit scheinen sie eine Lücke zu schließen: „Sie treten auf, wenn eine Energiegewinnung für größere Unternehmen nicht rentabel und sinnvoll erscheint.“ (177) Der Band basiert auf einer Ringvorlesung an der Universität Bremen im Sommer 2012; die Vortragenden gehören unterschiedlichen Fachdisziplinen (Ökonomie, Physik, Ingenieurwesen, Rechtswissenschaften) an.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.343 | 2.263 | 2.68 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Jörg Radtke / Bettina Hennig (Hrsg.): Die deutsche "Energiewende" nach Fukushima. Marburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36963-die-deutsche-energiewende-nach-fukushima_45206, veröffentlicht am 10.04.2014. Buch-Nr.: 45206 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken