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Claudia Globisch / Agnieszka Pufelska / Volker Weiß (Hrsg.)

Die Dynamik der europäischen Rechten. Geschichte, Kontinuitäten und Wandel

Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011; 317 S.; 39,95 €; ISBN 978-3-531-17191-3
Der Politikwissenschaftler und Faschismusforscher Zeev Sternhell leitet diesen Band mit pointierten Fragen über Nationalismus, Antisemitismus, Antiamerikanismus und andere gemeineuropäische Sonderlichkeiten ein: Ist heute noch die Mehrzahl der Europäer für eine Vorstellung von der Unterlegenheit universaler humanistischer Werte empfänglich? War die Gegenaufklärung als giftige Wurzel faschistischen Denkens der aufarbeitenden Welt bislang unbekannt? Sind Hannah Arendts Überlegungen zu totalitären Folgen der Aufklärung allesamt zu verwerfen? Warum ziehen rechtsextreme Parteien immer wieder in Parlamente ein? Thematisiert wird dann in diesem Band, der aus einer Tagung des Villigster Forschungsforums im Rahmen des Alfried Krupp Wissenschaftskollegs in Greifswald 2009 hervorgeht, das Spannungsfeld zwischen einer tatsächlich zunehmenden Effizienz parlamentsgebundener Gruppierungen und der medialen Hypersensibilität gegen rechtsextreme Strömungen in liberalen Demokratien. Die gegenwärtigen rechtsextremen Strömungen in ganz Europa werden analysiert und historisch eingeordnet. Es wird festgestellt, dass die extreme Rechte überall ihre Dynamik aus abgrenzenden Begriffen wie Nation, Heimat oder völkischer Identität gewinnt. Erfolgsmerkmale dieser Konzepte sind eine taktische Zivilisierung, wie Andreas Klärner feststellt, der antikapitalistische Hinweis auf Amerika als „Zerrspiegel der Moderne“ (165, Michael Werz) und eine „antisemitische Verbrüderung“ (187, Klaus Holz) gegen Juden wie gegen Israel. Die übergeordnete Frage, warum Topoi wie Nation nur mehr Gegenbegriffe sind, wird in den Beiträgen zum Ethnopluralismus (Claudia Globisch) und zur Islamsicht nach 1871 (Volker Weiß) deutlich: Kein Land gehört nur mehr sich selbst – weder Deutschland den Deutschen noch die Türkei den Türken, damals wie heute. Dass seitens der Rechten mit Internationalität (etwa in der Geopolitik) argumentiert wurde, bleibt unerwähnt. Der Band schließt mit einem Überblick zum neuen Faschismusbegriff, der die Brüche 1945 und 1989/90 einbezieht. Rechtsextreme Ideen speisen sich heute indes nicht nur aus faschistischen Traditionen. Nötige Vergleiche (etwa mit dem linken Antiamerikanismus) fehlen allerdings ebenso wie eine Grenzziehung zur demokratischen Rechten, etwa unter Hinweis auf den Rechtspopulismus.
Sebastian Liebold (LIE)
Dr., Politologe und Zeithistoriker, wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.25 | 2.23 | 2.22 | 2.37 | 2.35 | 2.5 | 2.61 | 2.62 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Liebold, Rezension zu: Claudia Globisch / Agnieszka Pufelska / Volker Weiß (Hrsg.): Die Dynamik der europäischen Rechten. Wiesbaden: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/14854-die-dynamik-der-europaeischen-rechten_38742, veröffentlicht am 25.08.2011. Buch-Nr.: 38742 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken