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Jörg Goldberg

Die Emanzipation des Südens. Die Neuerfindung des Kapitalismus aus Tradition und Weltmarkt

Köln: PapyRossa Verlag 2015 (Neue Kleine Bibliothek 20); 236 S.; 18,90 €; ISBN 978-3-89438-579-8
Mit den 1990er‑ und den darauf folgenden 2000er‑Jahren hätte aus westlicher Sicht alles so schön sein können: „Man war allen Ernstes der Ansicht, dass Liberalisierung, Deregulierung und marktfreundliche Wirtschaftspolitik eine stetige, ausgeglichene und krisenfreie Wirtschaftsentwicklung gewährleisten würden – was für ein Irrtum!“ (12) Jörg Goldberg diagnostiziert in seinem Band stattdessen den Beginn eines globalen Wandels kapitalistischen Wirtschaftens. Im Zuge der seit 2008 anhaltenden Wirtschaftskrise sind seiner Beobachtung nach nicht nur die westlichen Industriestaaten massiv geschwächt worden und in ihrer globalen Bedeutung relativ zurückgefallen. Die Länder des globalen Südens – hier allen voran China wie auch ausgewählte Staaten Südamerikas und Afrikas – haben in ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit aufgeholt, und das, so die zentrale These des Buches, konnte nur gelingen, weil sie das kapitalistische Modell des Westens gerade nicht kopiert, sondern an entscheidender Stelle angepasst haben. Unstrittig ist, dass alle von Goldberg beobachteten Staaten und Gesellschaften eigene Wege der Entwicklung gegangen sind. Es eint sie indes die Beibehaltung jeweils spezifischer, historisch gewachsener gesellschaftlicher Strukturmerkmale, die sie den vermeintlichen kapitalistischen Imperativen – Lohnarbeit, Trennung von Staat und Ökonomie, Privateigentum etc. – entgegenzusetzen vermögen. Hinzu kommen noch, so Goldberg weiter, massive Transfers von Technik und Know‑how, die ein Verbleiben auf einer, relativ zum entwickelten Westen, rückständigeren Position verhindern. Ob aus diesem Modell heraus auch eine weitere, globale Transformation – Goldberg sieht hier die Ablösung der Hegemonie des US‑amerikanischen Wirtschaftsmodells, eine tatsächlich gelebte kulturelle Vielfalt und die Implementierung wirksamer Regeln zu Nachhaltigkeit und Menschenrechten – entstehen wird, bleibt abzuwarten. Wer also Antworten auf die Frage nach der Zukunft kapitalistischer – oder doch ganz anders organisierter oder angepasster – Formen des Wirtschaftens sucht, der wird in Goldbergs ebenso streitbarem wie klar verständlich formuliertem Buch fündig.
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Rubrizierung: 2.22.222.654.434.45 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Jörg Goldberg: Die Emanzipation des Südens. Köln: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38573-die-emanzipation-des-suedens_46970, veröffentlicht am 25.06.2015. Buch-Nr.: 46970 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken